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Schon vor Jahrtausenden haben Menschen das Wachstum von Blaualgen in Gewässern beeinflusst

Wachstum von Blaualgen in Gewässern
TERENO Monitoring Station auf dem Tiefen See, Mecklenburg, Deutschland (Wetterstation, Wassersonden, Sedimentfallen). A. Brauer/GFZ

Das übermäßige Wachstum von z.T. giftigen Blaualgen in Gewässern ist kein Phänomen der Neuzeit. Der Mensch hat es schon vor Jahrtausenden beeinflusst. Das zeigt nun erstmals die Untersuchung von Blaualgen-DNA an Sedimenten eines Sees in Mecklenburg. Die Studie von Forschenden des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ und Kolleg:innen konnte die Geschichte der Blaualgen des Sees über die letzten 11.000 Jahre entschlüsseln und wurde in der Fachzeitschrift "Communications Biology" veröffentlicht.

In den letzten Jahren wird vermehrt über giftige Blaualgenblüten im Sommer auch in deutschen Badegewässern berichtet, verursacht durch Klimaerwärmung und steigende Nährstoffeinträge. Doch Menschen haben nicht erst in der Neuzeit Einfluss auf die Entwicklung der Blaualgen, sondern schon seit der Bronzezeit ab etwa 2.000 v.Chr. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschenden des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ in Potsdam und Kolleg:innen, die jetzt in der Fachzeitschrift „Communications Biology“ erschienen ist. Da Blaualgen, auch als Cyanobakterien bekannt, keine sichtbaren fossilen Spuren in Sedimenten hinterlassen, war bisher kaum etwas darüber bekannt, wie sie sich in unseren Seen während der letzten Jahrhunderte und Jahrtausende entwickelt haben. Anhand moderner DNA-Untersuchungen konnten die Forschenden nun erstmals die Geschichte von Blaualgen der letzten 11.000 Jahre in den Sedimenten eines Sees in Mecklenburg entschlüsseln.

Hintergrund: Blaualgen und ihre Vermehrung

Blaualgen haben sich in vielen Gewässern in den letzten Jahrzehnten stark vermehrt. Die Ursachen dafür sind menschengemacht: steigende Nährstoffeinträge und die Klimaerwärmung. Einige Blaualgen-Arten sind toxisch, so dass massenhafte Blüten in Badegewässern sogar gesundheitsgefährdend sein können. Sie können bei Hautkontakt zu Allergien oder – bei kleinen Wunden – zu Infektionen führen und – durch Aufnahme über das Trinkwasser – im Extremfall sogar Leberkrebs auslösen.

Cyanobakterien, wie Blaualgen in der Fachsprache heißen, gehören zu den ältesten bekannten Organismen, die Photosynthese betreiben. Heutige Landpflanzen haben ihre Fähigkeit, Sauerstoff zu produzieren und Kohlendioxyd zu fixieren, letztlich von den Cyanobakterien geerbt. Cyanobakterien haben außerdem eine weitere Fähigkeit, die sie von eigentlichen Algen unterscheidet: Sie können Stickstoff aus der Atmosphäre aufnehmen und als Nährstoff nutzen. Diese Fähigkeit ist eine Ursache für die starke Vermehrung von Blaualgen auf Kosten anderer Wasserorganismen, die zunehmend verdrängt werden.

DNA als Schlüssel für die Spurensuche nach Blaualgen

Anders als zum Beispiel Kieselalgen hinterlassen die meisten Blaualgen aufgrund ihrer geringen Größe keine fossilen Spuren im Sediment und lassen sich taxonomisch so nicht bestimmen. Daher ist kaum bekannt, wie sich die Blaualgen in unseren Seen im Laufe der Jahrtausende entwickelt haben.

„Mit neuen Methoden lässt sich heute jedoch DNA verschiedener Organismen in Sedimenten nachweisen, und das ermöglicht es uns, die Geschichte dieser Cyanobakterien zu entschlüsseln“, erklärt Ebuka Nwosu vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ, Hauptautor der neuen Studie. Die Arbeit, an der weitere Partner beteiligt waren, entstand im Rahmen der Doktorarbeit von Ebuka Nwosu, die von der Deutschen Bundestiftung Umwelt (DBU) finanziert wurde. Betreut wurde sie von Susanne Liebner, am GFZ Arbeitsgruppenleiterin in der Sektion Geomikrobiologie und Professorin an der Universität Potsdam, und Achim Brauer, Leiter der GFZ-Sektion Klimadynamik und Landschaftsentwicklung und Professor an der Universität Potsdam.

Für diese Studie haben die Forschenden Sedimente aus einem See im Naturpark Nossentiner-Schwinzer Heide in Mecklenburg ausgewählt. „Wir kennen den Tiefen See sehr gut und haben seine Sedimente sehr präzise datiert, weil er seit vielen Jahren Teil des TERENO See-Monitoringprogramms am Deutschen GeoForschungsZentrum ist“, begründet Achim Brauer die Wahl dieses Sees.

Für die Studie wurde sedimentäre Cyanobakterien-DNA an einem 11 Meter langen Sedimentbohrkern bestimmt und dann sowohl die Anzahl als auch die Zusammensetzung der Blaualgenarten und ihre Diversität analysiert.

Entwicklung von Blaualgen über die Jahrtausende: Der besondere Einfluss des Menschen

Auf diese Weise konnten die Forschenden zeigen, dass Blaualgen schon in den ältesten untersuchten Proben vor 11.000 Jahren bereits kurz nach Entstehung des Sees vorkamen. Die Zahl und Artenvielfalt waren allerdings sehr gering und Blaualgen spielten vermutlich keine besondere Rolle im Ökosystem des Sees.

Daran änderte sich auch über viele Jahrtausende nichts. Erst mit dem Auftreten der ersten bronzezeitlichen Gräberfunde in der Nähe des Sees aus der Zeit um etwa 2000 v.Chr. nahmen Zahl und Artengemeinschaften der Blaualgen signifikant zu. „Das lässt vermuten, dass auch schon frühe Kulturen durch landwirtschaftliche Aktivitäten einen Einfluss auf den Nährstoffhaushalt des Sees hatten“, sagt Ebuka Nwosu.

In der Folge wurde der natürliche Zustand vor diesen ersten Änderungen nie wieder erreicht. Im Gegenteil: Mit jeder weiteren Siedlungsphase und bevorzugt während wärmerer Klimabedingungen vermehrten sich Blaualgen und ihre Artengemeinschaften im Tiefen See immer weiter.

Seit Beginn der industriellen Landwirtschaft mit stark gestiegenen Stickstoffeinträgen hat sich diese Entwicklung noch beschleunigt. „Die Voraussetzungen für diese Entwicklungen wurden aber schon viel früher geschaffen als wir bisher angenommen haben“, betont Susanne Liebner. Und sie fügt hinzu, dass die nährstoffbedingte Zunahme der Blaualgen durch die immer wärmeren Sommer in Zukunft vermutlich noch zusätzlich begünstigt werde.

Deutsches GeoForschungsZentrum


Originalpublikation:

Nwosu, E.C., Brauer, A., Monchamp, ME. et al. Early human impact on lake cyanobacteria revealed by a Holocene record of sedimentary ancient DNA. Commun Biol 6, 72 (2023). DOI: 10.1038/s42003-023-04430-z, https://www.nature.com/articles/s42003-023-04430-z