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COP30: Von Klimagipfeln des Öls zum Klimagipfel der Natur

Vom 10. bis zum 21. November trifft sich die Weltgemeinschaft im brasilianischen Belém, um gemeinsam bei der 30. UN-Weltklimakonferenz (COP) Wege zu finden, die Klimakrise und ihre Folgen für Mensch und Umwelt zu bewältigen. Es ist die erste COP, die im Amazonasgebiet stattfindet, einer Region, die für das Klima eine enorme Rolle spielt: Der Regenwald speichert große Mengen Kohlenstoff und ist Lebensraum für unzählige Arten. Klimaveränderungen und menschliche Einflüsse wie Entwaldung setzen ihm jedoch erheblich zu.

Infoseite des AWI
Themen, die bei der COP30 eine wichtige Rolle spielen könnten, welche Forschung Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) vor Ort zeigen und wie sie die COP einschätzen, finden Sie ab heute auf unserer Infoseite, die im Laufe der COP aktualisiert wird. https://www.awi.de/un-klimakonferenz.html

So erklärt beispielsweise AWI-Klimaphysiker Helge Goessling, ob es aus rein physikalischer Sicht überhaupt noch möglich ist, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Darauf hatten sich die Staaten vor 10 Jahren bei der COP21 geeinigt und diese Marke im Pariser Klimaabkommen festgehalten. In Belém wird es unter anderem darum gehen, ob sie mit ihren nationalen Klimaschutzbeiträgen auf dem richtigen Weg hierfür sind.

Offener Brief von Wissenschaftlern
Ende Oktober warnten über 2.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem offenen Brief an die europäischen Staats- und Regierungschefs, dass sich die Diskussionen um das europäische Klimaziel für 2040 zunehmend von wissenschaftlichen Erkenntnissen entfernen. Unterzeichnet haben den Brief auch AWI-Forschende. Bei der COP30 in Belém sind einige von ihnen vor Ort, um ihre Forschung unter anderem zu Permafrost und Biodiversität vorzustellen.

Symbolträchtiger Veranstaltungsort
Symbolträchtig ist der Austragungsort der 30. Vertragsstaatenkonferenz (COP30) der UN-Klimarahmenkonvention gewählt. Belém, die Hafenstadt im Nordosten Brasiliens, ist das Eingangstor zum größten zusammenhängenden Tropenwald der Erde, dem Amazonasbecken. Diese „grüne Lunge“ unseres Planeten beherbergt noch immer 6 Millionen Quadratkilometer dichten Regenwalds – eine Fläche, mehr als halb so groß wie Europa. Die Amazonaswälder,der einzigartige Hort biologischer Vielfalt, sind akut von Abholzung bedroht. Früher wirkte der Regenwald als Gegenspieler zu den weltweit immerzu steigenden CO2-Emissionen. Heute nimmt das Amazonas-Becken aber nur noch rund 13,9 Milliarden Tonnen CO2 jährlich auf, gibt aber 16,6 Milliarden Tonnen CO2 in die Umwelt ab. Von einer Senke wurden die Gebiete zu einer Quelle von CO2. Manche Klimaforscher sehen die Amazonaswälder bereits an einem Kipppunkt.

Dass das Thema „Tropenwald“ weit oben auf der Tagesordnung eines Weltklimagipfels steht, darf daher nicht überraschen. Nachdem die vergangenen drei Klimatreffen in Ölstaaten wie Ägypten, Aserbaidschan und den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfanden, erwarten nunmehr viele einen Perspektivwechsel – weg vom Thema „Öl“ und hin zum Thema „Natur“. Neue Impulse für die grünen Themen sind auf dem Gipfel durch den 2023 wiedergewählten brasilianischen Präsidenten Lula da Silva und der wiedereingesetzten Umwelt- und Klimaministerin Marina Silva zu erwarten. Immerhin gilt Silva als Brasiliens „Stimme für das Klima“. 

Doch es gilt die Regel: Nur, was in den Vorverhandlungen gut vorbereitet wurde, kann auf dem Klimagipfel zu einem Erfolg werden. Der politische Anlauf zur COP30 ist aber leider überschattet durch geopolitische Zerwürfnisse, Kriege und das Ausscheiden der USA – wie auch Argentiniens – aus der Gemeinschaft der Vertragsstaaten. Deshalb konzentriert sich die COP-Präsidentschaft offenbar auf zwei Themen, bei denen politische Erfolge noch möglich scheinen – auf die Finanzierung von Klimaanpassung sowie auf den Tropenwaldschutz. 

Finanzierung von Klimaanpassung
Schon lange ist die strukturelle Unterfinanzierung der Klimaanpassung in den Entwicklungsländern ein Thema auf den Gipfeltreffen. Bis heute wird das „Global Goal on Adaptation“ (GGA) aus dem Pariser Übereinkommen klar verletzt. Das dort verankerte globale Anpassungsziel sieht vor, die weltweite „Anpassungskapazität zu verbessern, die Resilienz zu stärken und die Verwundbarkeit gegenüber dem Klimawandel zu verringern.“ 

Ursprünglich von der Afrikanischen Verhandlungsgruppe eingebracht, dient das globale Anpassungsziel dazu, politische Maßnahmen und die Finanzierung für Klimaanpassung weltweit im selben Umfang voranzutreiben wie die Emissionsminderung selbst. Dies verlangt konkrete, messbare Ziele und Handlungsleitlinien für globale Anpassungsmaßnahmen sowie eine Anpassungsfinanzierung für die Entwicklungsländer durch die Industrieländer.

Das bestehende Handlungsdefizit bei der Anpassungsfinanzierung ist gravierend. Der neue „Adaptation Gap“-Bericht der UN beziffert die Kosten der Anpassungsfinanzierung, die für die Entwicklungsländer benötigt werden, auf jährlich 310 bis 365 Milliarden US-Dollar bis ins Jahr 2035. Zugleich belief sich die internationale öffentlichen Anpassungsfinanzierung für die Entwicklungsländer 2023 auf nur 26 Milliarden US-Dollar – und die Tendenz ist seitdem abnehmend!

Der Bedarf nach Anpassungsfinanzierung in Entwicklungsländern ist damit 12- bis 14-Mal so hoch ist wie der aktuelle Geldfluss. Damit nicht genug: Bereits 2021 hatte der Glasgower Klimagipfel beschlossen, den Mittelfluss auf 40 Milliarden US-Dollar bis 2025 zu verdoppeln. Das Glasgower „Feuerwerk“ der Finanzversprechen in Höhe von 356 Millionen US-Dollar verkam in den Folgejahren leider zu einem Strohfeuer. 

Geltende Grundlage für die Verhandlungen zum globalen Anpassungsziel ist die so genannte Baku Adaptation Roadmap (BAR). Sie fordert Fortschritte vor allem bei der Messung der Wirksamkeit von Anpassungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern. Das ist ein vergleichsweise schwieriges Vorhaben, da es sich nicht wie bei der Emissionsminderung um ein „großes“ Null-Emissionsziel handelt, sondern Anpassung wird anhand von mehr als 100 Unterzielen der Krisen- und Katastrophenabwehr sowie -bekämpfung mit zugleich starken lokalen Bezügen gemessen. Diese Unterziele zu bereinigen und messbar zu machen, darin ist man schon bei der Vorbereitung des Klimagipfels in Sharm El Sheikh 2023 sowie jetzt erneut im Vorfeld des Belémer Gipfels gescheitert. Die Hoffnung auf schnelle Erfolge bei der COP30 ist daher unbegründet. 

Finanzierung von Tropenwaldschutz
Mit den absehbaren Problemen bei der Klimaanpassung rückt nunmehr der Tropenwaldschutz auf Platz 1 der Verhandlungsthemen von Belém, insbesondere auch dessen Finanzierung. Auch hier lautet der Befund, dass die Umsetzung der wiederholten Gipfelbekenntnisse zum Tropenwaldschutz bislang an unzureichenden Geldmitteln scheiterte. Solange Abholzung lukrativer ist als der Erhalt von Biodiversität und die Honorierung der Klimaleistungen der Tropenwälder, laufen auch wohlgemeinte Programme ins Leere.

Zur Honorierung des Klimabeitrags ihres Waldes haben die Brasilianer ein neues Finanzinstrument entwickelt – die „Tropical Forest Forever Facility“ (TFFF). Frühere Schutzprogramme bezogen sich auf die Gefährdung von Regenwaldflächen. Die ist naturgemäß hypothetisch und schwer messbar. Die TFFF geht anders heran: Sie knüpft an die erwünschten Ergebnisse des Tropenwaldschutzes wie die Wirksamkeit als CO2-Senke, den Erhalt der Biodiversität und anderes an und verbindet diese mit finanzieller Honorierung. Zugleich wird mit der TFFF ein Modell der Finanzierung vorgeschlagen, das sicherstellen soll, dass nicht isolierte Projekte des Tropenwaldschutzes umgesetzt werden, sondern überall in der Welt, wo Tropenwälder vorhanden sind, Zahlungen für die Ökosystemleistungen von bis zu 4 US-Dollar je Hektar zusammenkommen. 

In der TFFF sollen private und öffentliche Geldgeber aus Industrie- und Entwicklungsländern auf einer Plattform zusammenkommen. Das Versprechen lautet: Wenn die OECD-Länder 25 Milliarden US-Dollar einzahlen, können mithilfe privater Finanzakteure wie Banken Mittel von insgesamt 125 Milliarden US-Dollar „gehebelt“ werden. Dieses Geld soll dann, vereinfacht gesagt, in großem Umfang in Anleihen aus Schwellenländern investiert werden und dort Gewinne erwirtschaften. Das wird dadurch erleichtert, dass der TFFF auf staatlichen Geldern aus den OECD-Ländern basiert, was geringere Risikoaufschläge mit sich bringt. Je mehr Regenwald ein Land schützen kann, desto mehr Geld soll es erhalten. Wird die Abholzung aber fortgesetzt, sollen Strafen fällig werden. 

Kritiker der TFFF sehen das Modell vor allem als Finanzmarktspekulation. Wäre es so einfach, aus unterschiedlichen Risikoratings Gewinne zu generieren, hätten andere Investoren dieses Renditepotenzial bereits ausgeschöpft, heißt es.

Neben den Debatten um Klimaanpassung und Tropenwaldschutz wird es in Belém – wie zuletzt auf jedem Klimagipfel –hitzige Debatten um fossile Brennstoffe geben. Sie gehören einfach zu jedem Klimagipfel, auch bei einer Natur-COP. 
 

 

Unter Verwendung von Materialien folgende Institutionen:

Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung - AWI

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ

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