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Ein schwieriger Sommer für Wälder, Äcker und Wiesen

Diese Messgeräte registrieren mit hoher Frequenz (20 Hz) den Gasaustausch zwischen dem Ökosystem und der Atmosphäre bei der Messstation Chamau
Diese Messgeräte registrieren mit hoher Frequenz (20 Hz) den Gasaustausch zwischen dem Ökosystem und der Atmosphäre bei der Messstation Chamau. ETH Zürich

Der warme und trockene Sommer 2018 hat in den verschiedenen Ökosystemen deutliche Spuren hinterlassen. ETH-​Forschende stellen fest, dass auch in höheren Lagen künftig mit negativen Folgen zu rechnen ist, wenn sich das Klima weiter erwärmen wird.

Es war – einmal mehr – ein ungewöhnlich heisses Jahr: 2018 ächzten weite Teile Europas unter einem extrem heissen und trockenen Sommer. Auch in der Schweiz brachte das heisse Wetter die Menschen zum Schwitzen – und dies, nachdem bereits die vorangehenden Monate ungewöhnlich warm gewesen waren. Es war der bis dahin drittheisseste Sommer und der viertwärmste Frühling seit Beginn der Messreihe 1864.

Breit abgestützte Messdaten

Es liegt auf der Hand, dass sich solch ungewöhnlichen Wetterbedingungen auch auf die Ökosysteme auswirkten. Wie genau die Wälder, Äcker und Wiesen 2018 auf die Ausnahmesituation reagierten, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Gruppe von Nina Buchmann, Professorin für Graslandwissenschaften, anhand von umfangreichen Messdaten nun aufgezeigt. Die Forschenden haben dazu Messungen von fünf Standorten ausgewertet, die alle Teil der Swiss FluxNet-​Initiative sind, erklärt Mana Gharun, Postdoktorandin in Buchmanns Gruppe und Erstautorin der Studie: «Die fünf Standorte decken alle Höhenstufen von 400 bis 2000 Meter über Meer ab. Wir haben also ganz unterschiedliche Ökosysteme berücksichtigt.»

An allen Standorten misst Buchmanns Gruppe bereits seit Jahren mit sehr hoher zeitlicher Auflösung, wie viel CO2, Wasserdampf und andere Gase zwischen den Pflanzen, der Atmosphäre und dem Boden ausgetauscht werden, und zwar über das ganze Ökosystem hinweg betrachtet. Daraus lässt sich ermitteln, wie diese auf verschiedene klimatische Bedingungen reagieren.

Starker Einbruch der Produktivität

Die Auswertung, welche die Forschenden in einer Themenausgabe der Zeitschrift «Phil Trans B» soeben publiziert haben, zeigt, dass die Hitze und Dürre im Jahr 2018 besonders den tieferliegenden Ökosystemen stark zusetzte. Beim Mischwald auf der Lägeren nahe bei Zürich und bei der Wiesen auf der Chamau reduzierte sich die Produktivität im Schnitt um 20 Prozent im Vergleich zu den beiden Vorjahren. Anders sieht die Situation bei den höherliegenden Ökosystemen aus: Sowohl der Nadelwald bei Davos als auch die Wiese bei Früebüel und die Alpweide Weissenstein am Albulapass profitierten von den wärmeren Temperaturen und der längeren Vegetationszeit. Die günstigeren Wachstumsbedingungen führten dort zu einer höheren Produktivität der Ökosysteme.

Allerdings: An fast allen Standorten stieg gleichzeitig auch die Atmung der Pflanzen und Bodenorganismen an. So nahmen diese Systeme nicht nur mehr CO2 aus der Atmosphäre auf, sondern setzten gleichzeitig auch wieder mehr CO2 frei. «Insgesamt resultiert das in einer geringeren Netto-​Kohlenstoffaufnahme für die beiden Wälder und die Wiese auf der Chamau», hält Gharun fest. «Das ist ein ungünstiger Befund, erwartet man doch gemeinhin, dass diese Ökosysteme unter wärmeren Bedingungen als Kohlenstoffsenken einen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels leisten könnten.»

Für eine abschliessende Beurteilung sei es noch zu früh, ergänzt Buchmann. «Wir brauchen unbedingt langjährige Datenreihen, um diese Befunde einordnen zu können.» Da sie mit ihrer Gruppe seit vielen Jahren an den erwähnten Standorten Messdaten erhebt, verfügt sie über ein gutes Fundament für solche Langzeitstudien.

Viel Schnee nach dem Winter

Aussergewöhnlich am Jahr 2018 waren jedoch nicht nur die warmen Temperaturen im Frühjahr und Sommer, sondern auch die ausgiebigen Niederschläge im Winter zuvor: In den Bergen lag im Frühjahr viel Schnee, der dann aufgrund der warmen Bedingungen sehr schnell abschmolz. Das kam insbesondere den höher gelegenen Ökosystemen zugute. Schwieriger war die Situation hingegen in den tieferen Lagen, wo die Ökosysteme den Wasserüberschuss des Winters nicht nutzen konnten, um einen Feuchtigkeitsspeicher für den Sommer aufzubauen. Sie litten dementsprechend mehr unter Trockenheit und Hitze im Sommer.

«Die Wasserverfügbarkeit ist ein entscheidender Faktor, wie Ökosysteme Hitzeperioden überstehen», hält Buchmann fest. «Deshalb muss man bei der Untersuchung einer Dürre nicht nur die eigentliche Trockenperiode berücksichtigen.» Wenig zuversichtlich stimmt da, dass die neuen Klimaszenarien CH2018 im Winter mehr Regen und weniger Schnee voraussagen. Die höheren Niederschlagsmengen, die in den Wintermonaten erwartet werden, nützen daher den Ökosystemen nur bedingt, wenn das Wasser nicht als Schnee gespeichert wird, sondern rasch abfliesst.

Gestresste Bäume

Kritisch ist die Situation mittlerweile für Wälder. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass nicht nur Fichten, sondern auch alte Buchen an vielen Orten im Mittelland inzwischen Stresssymptome zeigen. Dies liegt vermutlich auch daran, dass das nachfolgende Jahr 2019 ebenfalls überdurchschnittlich warm und trocken war. «In den Wäldern beobachten wir einen Memory-​Effekt», erklärt Buchmann. «Die Spuren von solchen Perioden zeigen sich also möglicherweise erst lange nach dem eigentlichen Extremereignis.»

Wie gut die Bäume durch Dürre-​ und Hitzeperioden kommen, hängt auch davon ab, aus welcher Tiefe sie das Wasser aufnehmen. Buchen beispielsweise dringen mit ihren Wurzeln 50, 60 Zentimeter tief in den Boden und gelangen so eher zu tieferliegenden feuchten Schichten. Fichten hingegen erreichen mit ihren Wurzeln nur etwa eine Tiefe von 20 Zentimetern; sie sind dementsprechend eher von Dürren betroffen. «Für die Fichten im Tiefland wird es mittelfristig ungemütlich», stellt Buchmann fest. «Das ist für die Forstwirtschaft eine ungünstige Prognose.»

Schlechte Aussichten für die Bauern

Und wie sieht es mit den Wiesen aus? Dort stellen die beiden Forscherinnen zurzeit noch keinen Memory-​Effekt fest, weil sich Wiesen nach einer Trockenphase schneller erholen. Dass Wiesen in den tieferen Lagen in einem Jahr wie 2018 deutlich weniger Gras hergeben, ist für die Bauern dennoch eine schlechte Nachricht. Die Graslandwirtschaft ist der zentrale Pfeiler der Schweizer Landwirtschaft. Wenn auf Wiesen künftig wegen der zunehmenden Trockenheit im Sommer weniger Gras wächst, dann hat das direkte Konsequenzen für die Milch-​ und Fleischproduktion.

ETH Zürich


Originalpublikation:

Gharun M et al. 2020 Physiological response of Swiss ecosystems to 2018 drought across plant types and elevation. Phil. Trans. R. Soc. B 375: 20190521. doi: 10.1098/rstb.2019.0521

https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0521