Copepoden, Ruderfußkrebse, sind wenige Millimeter große Krebstiere, die in fast allen Gewässern der Erde vorkommen. Im Meer bilden sie die Basis des Nahrungsnetzes und sind eine wichtige Beute von kommerziell genutzten Fischarten wie etwa dem Hering. Gleichzeitig beeinflussen sie den Kohlenstofftransfer im Meer. Ohne die Krebstiere würde ein wichtiges Bindeglied zwischen der Primärproduktion und den höheren trophischen Ebenen im Ökosystem Meer fehlen. Wie widerstandsfähig solche Tiere gegenüber äußeren Umweltfaktoren sind, haben nun die Forscherinnen des FTZ aus der Arbeitsgruppe ECOLAB - Küstenökologie erstmalig untersucht. Für ihre Experimente haben sie die Fraßraten des Copepoden Acartia tonsa im Aquarium unter normalen Umgebungsgeräuschen und unter Lärm durch Schiffsverkehr untersucht. Die Schifffahrt gilt als Hauptquelle für kontinuierlichen Unterwasserlärm und kann zu einem Anstieg des Lärmpegels von mehr als 30 Dezibel über dem natürlichen Umgebungslärm führen. Insgesamt wurden 51 Versuchsreihen ausgewertet. Dabei wurden 688 Copepoden entweder mit Schiffsgeräuschen (343) oder mit Umgebungsgeräuschen im Aquarium (345) beschallt.
Unterwasserlärm stresst Ruderfußtiere bei der Nahrungsaufnahme
„Unterwasserlärm ist eindeutig ein Stressor für einige Arten an Krustentieren. Wir haben festgestellt, dass die Nahrungsaufnahme von Ruderfußkrebsen deutlich reduziert war im Vergleich zu normalen Umgebungsgeräuschen im Aquarium“, sagt Saskia Kühn, die in der Arbeitsgruppe ECOLAB Küstenökologie am FTZ arbeitet und die Experimente durchgeführt hatte. Die negativen Auswirkungen wurden im Labor untersucht und nachgewiesen. „Jetzt gilt es, die Experimente in Feldstudien zu wiederholen, um den Einfluss von Lärm auf das Fraßverhalten von Ruderfußkrebsen unter realistischen Schallbedingungen zu erforschen. So können wir abschätzen, welche Folgen Lärm auf das ganze Ökosystem hat“, erläutert Kühn.
Bisher gibt es nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen, die sich explizit mit den Folgen von Lärm auf die Ernährungsökologie von Zooplankton beschäftigen. Die neue Studie des FTZ macht hier einen Anfang für zukünftige Forschungsvorhaben. „Lärmbedingte Auswirkungen haben auch das Potenzial, die Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften zu verändern. Wir müssen die Auswirkungen von solchen Stressfaktoren im Ökosystem genau kennen, um entsprechend die Strategien anpassen zu können, die zu einem guten und gesunden Zustand der Meeresumwelt beitragen“, sagt PD Dr. Katja Heubel, Leiterin der Arbeitsgruppe Küstenökologie am FTZ und Mitglied im Forschungsschwerpunkt Kiel Marine Science (KMS) an der CAU.
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Originalpublikation:
Kühn, S, King, F and Heubel, K (2023). Decreased feeding rates of the copepod Acartia tonsa when exposed to playback harbor traffic noise. Front. Mar. Sci, 10:1134792. DOI: https://doi.org/10.3389/fmars.2023.1134792