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Kein eiszeitlicher Düngeeffekt im Antarktischen Ozean

Eisberg in der Scotia-See Düngeeffekt
Eisberg in der Scotia-See Thomas Ronge

Kann eisenhaltiger Staub den Ozean düngen, dort das Algenwachstum anregen und dadurch das Kohlendioxid in der Atmosphäre wegfangen? Ob diese hypothetische Treibhausgasbremse in Eiszeiten wirkte, hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Bonn anhand von Tiefsee-Sedimentkernen aus der Scotia-See untersucht. Obwohl der Staubeintrag in Eiszeiten hoch war, ließen sich keine Belege für einen Düngungseffekt im antarktischen Ozean finden. Vielmehr war die Produktion etwa von Algen und damit die Kohlendioxid-Festlegung lediglich in Warmzeiten hoch, wenn der Staubeintrag gering war.

Veränderungen in der Konzentration von atmosphärischem Kohlendioxid (CO2) gelten als Hauptursache für vergangene und künftige Klimaveränderungen. Eine langjährige Debatte dreht sich um die Frage, ob der etwa 30 Prozent geringere CO2-Gehalt der eiszeitlichen Atmosphäre durch Eisendüngung verursacht wurde. Demnach wird eisenhaltiger Staub mit Wind und Wasser in den Ozean eingetragen und regt dort etwa das Wachstum von Algen an, die vermehrt CO2 aufnehmen. Sterben sie ab und sinken dann dauerhaft in die Tiefe, verbleibt dort auch das CO2 wie in einer Falle. Obwohl es klare Hinweise darauf gibt, dass der Staubeintrag während der Eiszeiten zunahm, ist der Düngeeffekt zumindest für den antarktischen Ozean umstritten.

In einer aktuellen Studie ist ein internationales Forscherteam von 38 Forschenden aus 13 Ländern unter der Leitung von Dr. Michael Weber vom Institut für Geowissenschaften der Universität Bonn dieser Frage nachgegangen. Im Rahmen des Integrated Ocean Discovery Program (IODP) fuhr das Team mit dem Bohrschiff “ JOIDES Resolution” in die Scotia-See und holte 2019 zwei Monate lang Bohrkerne vom Meeresboden in 3.000 bis 4.000 Meter Wassertiefe herauf. Weber: “Wir sammelten das höchstauflösende und längste Klimaarchiv, das jemals in der Nähe der Antarktis und ihrer Hauptstaubquelle Patagonien gewonnen wurde.”

1,5 Millionen Jahre Klimageschichte

Im 200 Meter langen Tiefseebohrkern U1537 wurde die Klimageschichte der letzten 1,5 Millionen Jahre detailliert aufgezeichnet. Dadurch lässt sich die Rekonstruktion des Staubeintrags annähernd verdoppeln, da antarktische Eisbohrkerne lediglich die letzten 800.000 Jahre abdecken. Die aktuellen Aufzeichnungen aus der Tiefsee zeigen, dass die Staubablagerung während der Eiszeiten tatsächlich um das 5- bis 15-Fache erhöht waren. Dies spiegelt sich auch in den Eisbohrkernen wider.

Die Forschenden fanden jedoch keine Belege für einen Düngungseffekt durch Staub im antarktischen Ozean während der Eiszeiten. Vielmehr war die Produktion etwa von Algen und damit die CO2-Festlegung nur zu Warmzeiten hoch, wenn der Staubeintrag in die Scotia-See gering war. Zu Kaltzeiten verhinderten folglich andere Prozesse, dass das im Ozean gespeicherte CO2 in die Atmosphäre entweichen und eine Erwärmung auslösen konnte. Hier ist vor allem eine stark ausgedehnte Meereisbedeckung, eine intensivere Schichtung im Ozean sowie eine geringere Dynamik der Strömungssysteme zu nennen, die zu einer Senkung des C02-Gehalts der Atmosphäre in Kaltzeiten beitrug.

Die gegenläufige Entwicklung der Staubablagerung und der ozeanischen Produktivität während der Eis- und Warmzeiten des Pleistozäns werden von langfristigen, schrittweisen Veränderungen des Klimasystems im Südpolargebiet begleitet. Die Bioproduktivität war während der Warmzeiten der letzten 400.000 Jahre besonders hoch, unterschied sich jedoch während des mittelpleistozänen Übergangs vor 1,2 Millionen bis vor 700.000 Jahren nur unwesentlich von derjenigen in Kaltzeiten. Im Laufe des Übergangs deckte der Staubeintrag immer größere Areale in der südlichen Hemisphäre ab. Vor 900.000 Jahren kam es weiterhin zu abrupten Änderungen, die auf eine stärkere Vergletscherung der Antarktis hindeuten.

„Es gibt zwar Hinweise auf einen Düngeeffekt während der Eiszeiten in Bohrkernen außerhalb der antarktischen Zone“, ordnet Weber ein. „Unsere Studie zeigt jedoch, dass die atmosphärischen CO2-Schwankungen nicht allein von der Eisendüngung durch die Staubablagerungen abhängen. Im antarktischen Ozean ist es vielmehr ein komplexes Zusammenspiel aus Westwindsystem, Produktivität und Rückkopplung mit dem Meereis. Diese Beziehung ist über die letzten 1,5 Millionen Jahre hinweg beständig gewesen“.

Universität Bonn


Originalpublikation:

Weber, M.E. et al.: Antiphased dust deposition and productivity in the Antarctic Zone over the past 1.5 Ma. Nature Communications, 2022, DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-022-29642-5