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Luftverschmutzung kann Fettleibigkeit und Diabetes begünstigen

Grafik Luftverschmutzung kann Fettleibigkeit und Diabetes begünstigen
Luftverschmutzung kann Fettleibigkeit und Diabetes begünstigen Copyright: Francesco Paneni (mit ChatGPT generiert)

Werden Mäuse langfristig Feinstaub ausgesetzt, beeinträchtigt dies ihren gesunden Stoffwechsel. Denn feine Luftschadstoffe stören die normale Funktion des braunen Fettgewebes, was zu Insulinresistenz und Stoffwechselerkrankungen führen kann. Verantwortlich sind komplexe Veränderungen in der Genregulation, wie eine neue UZH-Studie zeigt. 

Die Hinweise verdichten sich, dass Luftverschmutzung nicht nur schädlich für Lunge und Herz ist, sondern auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Stoffwechselstörungen wie Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes spielt. Eine neue Studie von Francesco Paneni, Professor am Zentrum für translationale und experimentelle Kardiologie der Universität Zürich (UZH) und des Universitätsspitals Zürich (USZ), und Sanjay Rajagopalan, Professor an der Case Western Reserve University in Cleveland, bringt nun Licht in diese Zusammenhänge.

Exposition mit konzentrierten winzigen Partikeln in der Luft

Die Forscher untersuchten, wie sich eine langfristige Exposition gegenüber feinen Luftschadstoffen auf die Blutzuckerregulation und den gesunden Stoffwechsel auswirken. Dabei konzentrierten sie sich auf eine bestimmte Art von Verschmutzung, bekannt als PM2.5. Diese winzigen Luftpartikel sind kleiner als 2.5 Mikrometer und können tief in die Lunge eingeatmet werden. Labormäuse wurden über einen Zeitraum von 24 Wochen an fünf Tagen pro Woche jeweils sechs Stunden lang entweder gefilterter Luft oder Luft mit konzentriertem PM2.5 ausgesetzt. Die Versuchsanordnung sollte die chronische Belastung des Menschen in städtischen Gebieten möglichst realistisch nachbilden.

Im Fokus stand das braune Fettgewebe, das dem Körper hilft, Wärme zu erzeugen und Kalorien zu verbrennen. Es spielt eine Schlüsselrolle im Energiehaushalt und im Zuckerstoffwechsel. Nach etwa fünf Monaten zeigten die Mäuse, die PM2.5 eingeatmet hatten, Anzeichen eines gestörten Stoffwechsels, etwa eine beeinträchtigte Empfindlichkeit für Insulin. Ausserdem veränderte sich die Funktion des braunen Fettgewebes stark. «Gestört war insbesondere die Aktivität wichtiger Gene, die die Fähigkeit zur Wärmeproduktion, Fettverarbeitung und Bewältigung von oxidativem Stress regulieren. Diese Veränderungen gingen einher mit einer erhöhten Fettansammlung sowie Anzeichen von Gewebeschäden und einer krankhaften Vermehrung des Bindegewebes», sagt Paneni.

Zwei Enzyme treiben epigenetische Veränderungen voran

Als nächstes untersuchte das Forscherteam die zugrunde liegenden Mechanismen. Sie fanden heraus, dass die Luftverschmutzung erhebliche Veränderungen in der DNA-Regulation in braunen Fettzellen auslöst. Einerseits zeigten die Gene, die den Fettstoffwechsel steuern, veränderte Muster in den chemischen Markierungen – Methylgruppen genannt. Andererseits war die Zugänglichkeit bestimmter Gene verändert, was zu deren Aktivierung bzw. Deaktivierung führt – ein Prozess, der als Chromatin-Remodellierung bekannt ist. Die epigenetischen Veränderungen beeinflussen die Funktionsweise der Zellen, indem sie die Genaktivität regulieren, ohne den genetischen Code selbst zu verändern.

Zwei Enzyme wurden als Schlüsselakteure in diesem Prozess identifiziert: HDAC9 und KDM2B. Sie sind an der Modifizierung von Histonen beteiligt – jenen Proteinen, um die die DNA gewickelt ist. In jenen Mäusen, die den Luftschadstoffen ausgesetzt waren, binden die beiden Enzyme an bestimmte DNA-Regionen in den braunen Fettzellen. Dies reduziert die chemischen Markierungen, die normalerweise die Genaktivität fördern. «Wenn wir die beiden Enzyme experimentell unterdrückten, verbesserte sich die Funktion des braunen Fettgewebes. Erhöhten wir deren Aktivität, ging der normale Fettstoffwechsel weiter zurück», so Paneni.

Neue Ansatzpunkte für Prävention oder Behandlung

Die Studie zeigt, dass eine langfristige Exposition gegenüber Feinstaub die normale Funktion des braunen Fettgewebes stört und so die Stoffwechselgesundheit beeinträchtigen kann. Dies geschieht durch komplexe Veränderungen in der Genregulation, die durch epigenetische Mechanismen gesteuert werden. «Unsere Ergebnisse helfen zu erklären, wie Umweltgifte wie PM2.5 zur Entwicklung von Insulinresistenz und Stoffwechselerkrankungen beitragen. Und sie weisen auf mögliche neue Ansatzpunkte für Prävention oder Behandlung hin», sagt Francesco Paneni.

Universität Zürich


Originalpublikation:

Rengasamy Palanivel, Jean-Eudes Dazard et al. Air pollution modulates brown adipose tissue function through epigenetic regulation by HDAC9 and KDM2B. JCI Insight. September 23, 2025. DOI: https://doi.org/10.1172/jci.insight.187023

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