Durch Untersuchungen am Gesamterbgut des Fliegenpilzes fanden die Freiburger Pharmazeuten einen DNA-Bereich, der sieben Gene umschließt. Diese Gene werden unter bestimmten Wachstumsbedingungen gleichzeitig aktiv, was nahelegt, dass sie einem gemeinsamen Zweck dienen. Der Pantherpilz, welcher ebenfalls Ibotensäure produziert, enthält den gleichen DNA-Bereich wie der Fliegenpilz. Verwandte Pilzarten, die jedoch keine Ibotensäure produzieren, besitzen die sieben Gene nicht, was auf den Zusammenhang zwischen den Genen und der Giftproduktion hindeutet.
Um zu überprüfen, ob der gefundene DNA-Bereich tatsächlich für die Biosynthese zuständig ist, brachten Müller und Obermaier eines der Gene in das Modellbakterium Escherichia coli ein. Die veränderten Bakterien waren daraufhin in der Lage, die Aminosäure Glutamat in den Ibotensäure-Vorläufer 3 Hydroxyglutamat umzuwandeln. Damit war die Funktion der im Fliegenpilz entdeckten Gene bestätigt: Sie sind für die Biosynthese der Ibotensäure verantwortlich.
„Interessanterweise wurde 3 Hydroxyglutamat bereits vor über 50 Jahren als Vorläufer der Ibotensäure vorausgesagt“, erklärt Obermaier, „es wurde damals aber nicht im Fliegenpilz gefunden.“ Mit dem Einsatz von modernen genetischen und analytischen Methoden konnten die Freiburger Forscher nun die damalige Vermutung bestätigen. „Das verdeutlicht, welchen technischen Fortschritt die Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten gemacht hat“, sagt Müller, „und es zeigt auch, wie alte Ideen der Forschung von heute Impulse geben können.“
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Originalpublikation:
Obermaier, S., Müller, M. (2020): Ibotenic Acid Biosynthesis in the Fly Agaric Is Initiated by Glutamate Hydroxylation. In: Angewandte Chemie International Edition. DOI: 10.1002/anie.202001870