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Aus Problemen werden Chancen: Nutzung der Photorespiration für einen verbesserten Pflanzenstoffwechsel

die Photorespiration und den C4-Stoffwechsel, zwei der wichtigsten Ansatzpunkte zur Verbesserung der Ernteerträge
Das Team von Gain4Crops hat eine Lösung gefunden, um die Photorespiration und den C4-Stoffwechsel, zwei der wichtigsten Ansatzpunkte zur Verbesserung der Ernteerträge, miteinander zu verbinden. Gain4Crops

Auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft birgt die Verringerung der Photorespiration, einem sehr energieaufwändigen Prozess, enormes Potenzial zur Verbesserung von Nutzpflanzen. Forschende des von der EU geförderten Projekts Gain4Crops haben nun eine Lösung gefunden, um die Photorespiration und den C4-Stoffwechsel, zwei der wichtigsten Ansatzpunkte zur Verbesserung der Ernteerträge, miteinander zu verbinden. Dieser erste Konzeptbeweis öffnet den Weg zu mehr Produktivität und weniger Ressourcenverbrauch im Pflanzenbau, wie sie jetzt in der Fachzeitschrift PNAS berichten.

Die „Photorespiration“ oder auch „Lichtatmung“ ist ein Stoffwechselvorgang bei Pflanzen. Hierbei setzt die Pflanze in einer lichtabhängigen Reaktion gespeicherten Kohlenstoff in Kohlendioxid (CO2) um. In den heutigen Pflanzen wird durch diesen Prozess ein erheblicher Teil der Energie der Photosynthese verbraucht und dabei CO2 freigesetzt. Dieser Prozess beginnt, wenn das Enzym RuBisCO auf Sauerstoff statt auf Kohlendioxid einwirkt und dabei toxische Stoffwechselprodukte (Metaboliten) bildet, die kostspielige Recycling-Reaktionen erfordern: Der Entgiftungsprozess setzt einen Teil des zuvor von der Pflanze fixierten Kohlenstoffes frei und verschwendet dabei Energie, was die landwirtschaftliche Produktivität deutlich einschränkt.

Im Allgemeinen verfolgen Wissenschaftler zwei Ansätze, um die schädlichen Auswirkungen der Photorespiration zu minimieren: sie ahmen die Kohlenstoff-Fixierung der so genannten C4-Pflanzen nach oder führen neue Stoffwechselwege zur Umgehung der Photorespiration ein.

Forschende um Prof. Dr. Andreas Weber vom Institut für Biochemie der Pflanzen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und Prof. Dr. Tobias Erb vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie haben nun eine Lösung entwickelt, die die Photorespiration und den C4-Pflanzenstoffwechsel synergetisch koppelt und damit zwei der wichtigsten Ziele zur Verbesserung des Pflanzenstoffwechsels miteinander verbindet. Im Rahmen des von der EU geförderten Projekts Gain4Crops (www.gain4crops.eu) setzten sie eine neuartige Umgehungsroute für die Photorespiration ein, den mikrobiellen Beta-Hydroxy-Aspartat (BHAC)-Weg.

Das Team baute Enzyme aus dem BHAC-Weg in die Modellpflanze Arabidopsis thaliana ein, wo sie erfolgreich das toxische Produkt der Photorespiration in einen Startpunkt eines synthetischen C4-Zyklus verwandeln, ohne dabei Kohlenstoff, Stickstoff oder Energie abzugeben. „Unsere Versuche zeigen, dass der natürliche BHAC-Weg aus Bakterien auch in Pflanzen funktioniert, was komplett neue Möglichkeiten eröffnet, den pflanzlichen Stoffwechsel gezielt zu verbessern“, erklärt Tobias Erb.

Gasaustausch-Messungen und Stoffwechselprofile bestätigten, dass die neu entwickelten Pflanzen Stickstoff einsparen und die charakteristischen Stoffwechselprodukte von C4-Pflanzen bilden. Zum jetzigen Zeitpunkt zeigten die Prototyp-Pflanzen keine Zunahme der durch Photosynthese assimilierten CO2-Menge auf Kosten des durch die Photorespiration freigesetzten CO2. Das Team wies jedoch darauf hin, dass noch einige Engpässe das volle Potenzial des BHAC-Wegs verdecken. Diese sollen in den nächsten Forschungsarbeiten angegangen werden.

Um das erhöhte Maß an fixiertem Kohlenstoff und letztlich den Ertragsgewinn voll auszuschöpfen, soll der Stoffwechselweg weiter optimiert werden. Dies unterstützen kinetische und genomweite Stoffwechsel-Modelle. Tests in Modellorganismen wie z. B. Arabidopsis ermöglichen es, Unzulänglichkeiten zu identifizieren, bevor die Erkenntnisse auf Nutzpflanzen übertragen werden, was den Entwicklungsprozess beschleunigt. Daher wird das Gain4Crops-Projekt den neu entdeckten Stoffwechselweg in einer Reihe von Modellorganismen mit zunehmender zellulärer und anatomischer Komplexität testen, bevor es zu seiner endgültigen Zielpflanze übergeht: der Sonnenblume, einer wichtigen Ölsaatpflanze in Europa.

Insgesamt ist diese Studie der erste Konzeptnachweis für die Entwicklung eines neuen kohlenstoffanreichernden Mechanismus in Pflanzen, die auf die Photorespiration angewiesen sind. Sie eröffnet damit neue Chancen für eine verbesserte landwirtschaftliche Produktivität. Darüber hinaus können Nutzpflanzen mit erhöhter photosynthetischer Effizienz dank ihrer höheren Klimaresistenz und ihres geringeren Ressourcenverbrauchs zu wertvollen Werkzeugen im Umgang mit dem Klimawandel werden.

Die moderne Landwirtschaft muss mit einer wachsenden Bevölkerung auf einem Planeten mit knappen Ressourcen und sich schnell verändernden Umweltbedingungen Schritt halten. „Die Verbesserung der Nachhaltigkeit ist wahrscheinlich die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts, und auch wenn es kein Patentrezept gibt, kann die Kombination verschiedener Ansätze eine effektive Verbesserung bringen“, sagt Andreas Weber. Auf der Suche nach einer nachhaltigeren Landwirtschaft kann der sparsame Umgang mit Land durch verbesserte Nutzpflanzen mit reduzierter Photorespiration ein wesentlicher Teil der Lösung sein.

HHU


Originalpublikation:

Roell, M.S.; Schada von Borzyskowski, L.; Westhoff, P.; Plett, A.; Paczia, N.; Claus, P.; Schlueter, U.; Erb, T.J.; Weber, A.P.M., A synthetic C4 shuttle via the β-hydroxyaspartate cycle in C3 plants, Proceedings of the National Academy of Sciences (2021)
DOI: 10.1073/pnas.2022307118

https://doi.org/10.1073/pnas.2022307118