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Proteinfabriken im Hitzestress: Was Archaeen uns über RNA-Stabilität verraten

Wie hitzeliebende Archaeen ihre Zellmaschinen umbauen, um zu überleben und warum das sogar für Impfstoffe wichtig werden könnte. 

Grafik: Hyperthermophile Archaeen können ihre Ribosomen - die Proteinfabriken der Zellen - modifizieren, so dass sie auch bei extremen Temperaturen funktionieren

Hyperthermophile Archaeen können ihre Ribosomen - die Proteinfabriken der Zellen - modifizieren, so dass sie auch bei extremen Temperaturen funktionieren, Grafik: Dr. Felix Grünberger

Hyperthermophile Archaeen sind wahre Überlebenskünstler. Sie wachsen in kochend heißen Quellen und brodelnden Tiefsee-Schloten – Bedingungen, die für nahezu alle anderen Lebewesen tödlich wären. Regensburger Forscherinnen und Forscher am Deutschen Archaeenzentrum und Regensburger Zentrum für Biochemie haben als Teil eines internationalen Forschungsteams nun einen weiteren Aspekt entdeckt, warum hyperthermophile Archaeen so ungewöhnlich robust sind: Diese Mikroorganismen sind in der Lage, ihre Proteinfabriken, die Ribosomen, gezielt an extreme Temperaturen anzupassen. Die Studie zeigt, dass sie dazu ihre ribosomale RNA verändern, einen zentralen Baustein der Ribosomen. Dadurch bleibt die Proteinproduktion selbst unter extremen Bedingungen stabil.

Den Ausgangspunkt dieser Studie bildete das israelische Forschungsteam um Schraga Schwartz, das eine neue Technologie namens Pan-Mod-seq entwickelt hat. Damit lassen sich RNA-Veränderungen erstmals systematisch und parallel in ganz unterschiedlichen Zelltypen erfassen – von einfachen Bakterien über Archaeen, Hefezellen bis hin zu menschlichen Zellen. Dr. Felix Grünberger erklärt: „In früheren Arbeiten konnten wir bereits verfolgen, wann eine einzelne, bekannte RNA-Modifikation in die ribosomale RNA eingebaut wird. Mit Pan-Mod-seq ist es nun erstmals möglich, eine Vielzahl verschiedener Modifikationen gleichzeitig und im Hochdurchsatz zu erfassen – das war bisher undenkbar.“ 

Die neue Technologie konnte dank der Regensburger Expertise in der RNA-Biologie, der einzigartigen Stammsammlung und dem Spezialwissen in der Kultivierung extremophiler Archaeen besonders wirkungsvoll eingesetzt werden. Für diese Studie konnten daher auch die Weltrekordhalter unter den hyperthermophilen Archaeen genutzt werden, die bei Temperaturen von bis zu 113 °C optimal wachsen.

Das Ergebnis: In Bakterien, normalen Archaeen und höheren Zellen wie unseren menschlichen Zellen bleiben diese Modifikationen weitgehend unverändert. Extrem hitzeliebende Archaeen betreiben dagegen molekulare Feinarbeit: Zum einen ist die Dichte der Modifikationen außergewöhnlich hoch, zum anderen passt sich auch rund die Hälfte der Modifikationen davon dynamisch an – sie werden je nach Temperatur aktiv hinzugefügt oder entfernt. Bilder aus der Kryo-Elektronenmikroskopie zeigen eindrucksvoll, wie diese chemischen Veränderungen die Ribosomen wie ein Verstärkungsgerüst stabilisieren. Dr. Robert Reichelt berichtet: „Wir konnten nachweisen, dass ohne diese molekularen Anpassungen die Archaeen in ihrer extremen Umgebung nicht mehr wachsen können“. 

Mit Begeisterung erklärt Prof. Dr. Dina Grohmann, Inhaberin des Lehrstuhls für Mikrobiologie und Leiterin des Deutschen Archaeenzentrums: „Diese bahnbrechende Entdeckung wurde erst durch die enge Zusammenarbeit eines internationalen und interdisziplinären Teams aus Israel, den USA, Japan, Frankreich und Deutschland möglich, in dem alle Teile des Puzzles zusammengeführt wurden. Besonders fasziniert mich, dass gerade unsere hyperthermophilen Archaeen eine so außergewöhnliche Sonderstellung einnehmen – ein Befund, der völlig neue Forschungsfelder eröffnet!“.

Die Ergebnisse sind nicht nur für die Mikrobiologie spannend. RNA‑Modifikationen spielen auch in der modernen Medizin eine zentrale Rolle – etwa bei mRNA-Impfstoffen. Dort werden gezielt chemische Veränderungen eingebaut, um die Stabilität des Impfstoffs zu erhöhen und unerwünschte Immunreaktionen zu vermeiden. Ein besseres Verständnis, wie extreme Mikroben ihre RNA „maßschneidern“, kann wertvolle Impulse für die gezielte Gestaltung stabiler RNA-Moleküle in biomedizinischen Anwendungen liefern.

Universität Regensburg


Originalpublikation:

Garcia-Campos, Miguel A. et al.: Pan-modification profiling facilitates a cross-evolutionary dissection of the thermoregulated ribosomal epitranscriptome, Cell 2025, DOI: 10.1016/j.cell.2025.09.014 

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