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Weißbüschelaffen mit Persönlichkeit

In einer neuen Studie wurde erstmals die Persönlichkeit der Weißbüschelaffen untersucht, die den Menschen nicht unähnlich sind.
In einer neuen Studie wurde erstmals die Persönlichkeit der Weißbüschelaffen untersucht, die den Menschen nicht unähnlich sind. © Vedrana Šlipogor

Seit jeher werden Unterschiede in den Persönlichkeiten von Menschen thematisiert. Bei Tieren wurde dieser Aspekt hingegen lange ignoriert. Die Frage nach der Persönlichkeit hat aber jüngst an Forschungsinteresse gewonnen, da die evolutionäre und ökologische Bedeutung der Persönlichkeit bei Tieren erkannt wurde. Ein internationales Team aus Österreich, Brasilien und den Niederlanden mit Vedrana Šlipogor von der Universität Wien, aus dem Bereich der Verhaltensbiologie, entwarf nun eine Reihe von Aufgaben, um die Persönlichkeit von Weißbüschelaffen beurteilen zu können.

Im Rahmen der Persönlichkeitsaufgaben konnten die Äffchen eine vertraute Umgebung, neue Lebensmittel und Objekte sowie Situationen, die eine gefährliche Situation imitieren (z. B. die Begegnung mit einer Plastikspielzeugschlange oder einem außergewöhnlich aussehenden Objekt), erkunden und sich mit ihnen beschäftigen.

Die Forscher*innen beobachteten die Reaktionen der Affen, beispielsweise beim Probieren eines Stücks Jackfrucht oder bei der Begegnung mit einem bunten rasselförmigen Spielzeug, genau. Einige Affen näherten sich Neuem schneller, während andere vorsichtiger waren; hier zeigt sich ein ähnliches Muster wie beim Menschen: Manche probieren gerne neue Restaurants aus, während andere es vorziehen, in ihrem Lieblingsrestaurant zu essen.

Beim Vergleich der Persönlichkeitsmerkmale der Affen in Österreich über vier Jahre hinweg konnten die Forscher*innen feststellen, dass die Tiere in ihren Persönlichkeitsmerkmalen ziemlich konsistent sind (z.B. waren diejenigen, die als Junge neugierig waren, vier Jahre später immer noch eher neugierig). Die einzige Ausnahme von dieser Regel waren Affen, die ihren Status in den Familieneinheiten verändert haben.

"Wir haben festgestellt, dass die Affen, die zu dominanten Individuen in der Gruppe wurden, auch mutiger wurden", so Vedrana Šlipogor, Postdoktorandin an der Universität Wien und Erstautorin der Studie.
"Bei Menschen und anderen nichtmenschlichen Tieren sehen wir ein ähnliches Muster. Menschen, die in Führungspositionen agieren, sind etwa häufig extrovertierter und zeigen auch einige andere typische Merkmale (z.B. gute Verträglichkeit mit anderen, Gewissenhaftigkeit und ein geringeres Maß an Neurotik). Bei Brieftauben hat sich gezeigt, dass mutigere Individuen einen höheren Rang in der Hierarchie haben und wahrscheinlich die Richtung der kollektiven Bewegung beeinflussen. Feldgrillen, die dominanter werden, zeigen ebenfalls eine Zunahme von Kühnheit, Entdeckungsfreudigkeit und Aktivität."

Die Studie ist die erste, in der auch die Persönlichkeit von wilden Weißbüschelaffen beschrieben wurde. "Wir haben unsere Tests von der gut kontrollierten Umgebung in menschlicher Obhut an die unvorhersehbaren Bedingungen in freier Wildbahn angepasst. In freier Wildbahn sind Affen zwar sehr beschäftigt, im Austausch gegen einige Bananen waren sie jedoch bereit, an unseren Aufgaben teilzunehmen. Wir konnten feststellen, dass wilde Affen eine sehr ähnliche Persönlichkeitsstruktur aufweisen wie Affen in menschlicher Obhut", so Thomas Bugnyar, Professor für Kognitive Ethologie an der Universität Wien und Autor der Studie. "Dies bestätigt, dass wir mit unseren Untersuchungen die Persönlichkeit der Tiere sowohl in menschlicher Obhut als auch in wilder Umgebung zuverlässig beurteilen können. Ihre bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den Weißbüschelaffen in Brasilien bestärkt uns außerdem in der Annahme, dass wir unseren Affen in Österreich die bestmöglichen Bedingungen bieten."

Universität Wien


Originalpublikation:
Šlipogor, V., Massen, J.J.M., Schiel, N., Souto, A., Bugnyar, T. Temporal consistency and ecological validity of personality structure in common marmosets (Callithrix jacchus): A unifying field and laboratory approach. American Journal of Primatology, 2021; e23229.

https://doi.org/10.1002/ajp.23229