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System adaptiert: Forschende können Gesichtsausdrücke von Bonobo-Affen genau analysieren

Alle vier Individuen zeigen eine entspannte Unterlippe, die nach vorne fällt, weg von den Zähnen. Sie heben die Augenbrauen an und senken den Kiefer. Die Forschenden identifizieren die Bewegungen in den Gesichtern von Bonobos aus anatomischer Sicht. Quelle: M. Leroux, P. Kuchenbuch

Forschende haben ein bestehendes Kodiersystem für menschliche Mimik so angepasst, dass sich auch die Gesichtsausdrücke von Bonobos systematisch analysieren lassen. Ihre gerade im "PeerJ"-Journal veröffentlichten Forschungsergebnisse bestätigen, dass diese Affen über ein Repertoire von 28 verschiedenen Gesichtsbewegungen verfügen, die durch 22 spezifische Muskelbewegungen verursacht werden. Diese Erkenntnis liefert der Forschung neue Möglichkeiten, besser zu verstehen, wie diese vom Aussterben bedrohten Menschenaffen miteinander kommunizieren und wie sich deren Mimik von der des Menschen unterscheidet. 

Die Studie wurde von einem internationalen Team von Wissenschaftler:innen mehrerer Institutionen aus Deutschland, der Schweiz, Frankreich, den Vereinigten Staaten und Großbritannien unter der Leitung von Dr. Catia Correia-Caeiro vom Institut für Biologie der Universität Leipzig und Forschenden des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie erarbeitet. 

Eines der Ergebnisse: Bonobos zeigen zwar weniger Gesichtsbewegungen als Menschen, aber sie teilen ein ähnliches Repertoire mit einer anderen nah verwandten Art, den Schimpansen. Diese Ähnlichkeit deutet auf die Bedeutung der mimischen Kommunikation in sozialen Interaktionen beider Arten hin, so die Forschenden. Sie erweiterten das bereits bestehende Chimpanzee Facial Action Coding System (ChimpFACS) für Bonobos. „Diese Anpassung von ChimpFACS für Bonobos füllt eine wichtige Lücke in unseren Möglichkeiten, die Mimik verschiedener Primatenarten zu untersuchen“, erklärt Correia-Caeiro. „Wir können nun systematisch Gesichtsbewegungen zwischen Menschen, Schimpansen und Bonobos vergleichen und so Einblicke in die Evolution der mimischen Kommunikation gewinnen.“

Das neue Kodierungssystem, das ursprünglich für Menschen entwickelt und zuvor für neun andere Tierarten angepasst wurde, kann laut Correia-Caeiro nicht nur in der akademischen Forschung eingesetzt werden. „Dieses Instrument wird besonders wertvoll sein, um das Wohlergehen von Bonobos in menschlicher Obhut zu beurteilen. Indem wir ihre Mimik besser verstehen, können wir ihren emotionalen Zustand und ihr Wohlbefinden genauer einschätzen“, sagt die Biologin. Facial Action Coding Systems (FACS) sind Instrumente zur detaillierten und objektiven Messung des Gesichtsverhaltens von Tieren durch die Kodierung unabhängiger Muskelbewegungen (Action Units, AUs). Die Anwendung des FACS hat zu mehreren neuen Erkenntnissen im Bereich der Tierkommunikation beigetragen, wie zum Beispiel, dass Orang-Utans und Gibbons ihre Gesichter während des Spiels mit anderen Individuen flexibel und absichtlich einsetzen, um das Spielgeschehen zu modulieren. 

Bonobos und Schimpansen haben eine vergleichbare Gesichtsmuskulatur, aber unterscheiden sich in ihrer Gesichtsmorphologie, wie zum Beispiel typische artspezifische Unterschiede in der Lippen- und Augenlidfärbung oder der Größe des Stirnbeins. Diese können sich auf die Art und Weise auswirken, wie die einzelnen Muskelbewegungen identifiziert und gemessen werden. „Diese Unterschiede müssen bei der Untersuchung der Mimik bei beiden Arten berücksichtigt werden, was mit FACS möglich ist“, erläutert Correia-Caeiro.

Das menschliche FACS wird seit über 40 Jahren in der Forschung, aber auch zur Erzeugung realistischer Gesichtsausdrücke in Animationsfilmen oder im klinischen Bereich zur Diagnose psychiatrischer und psychologischer Erkrankungen eingesetzt. 
Die Forschenden haben auch kurze Videoclips der unabhängigen Muskelbewegungen bei Bonobos aufgenommen und damit die morphologischen Unterschiede in der Mimik der beiden Arten beschrieben. Künftige Nutzer:innen dieses Instruments können nun darin geschult werden, wie sie diese Muskelbewegungen bei Bonobos erkennen und deren Gesichtsverhalten untersuchen können. „Dieses Tool wird online und kostenlos für alle verfügbar sein, die mehr über die Mimik von Bonobos erfahren möchten, auch wenn sie keine Erfahrung mit dieser Tierart oder diesem Tool haben“, erläutert Dr. Correia-Caeiro. Es könne von Forschenden verwendet werden, um empirische Fragen aus dem Bereich der Evolution menschlicher Kommunikation und Emotionen zu beantworten, aber auch von Tierärzt:innen und Tierpfleger:innen, um das Wohlergehen von Tieren zu beurteilen.

(Universität Leipzig)


Originalpublikation:
https://peerj.com/articles/19484/ "Adapting the facial action coding system for chimpanzees (Pan troglodytes) to bonobos (Pan paniscus): the ChimpFACS extension for bonobos"