Der Citizen Science Ansatz bedeutet, dass wissenschaftliche Erkenntnisse von Personen, die nicht hauptberuflich in der Wissenschaft tätig sind, ergänzend erhoben werden. „Mit dieser Herangehensweise möchten wir, so viel wie möglich über die Ausbreitung der Seeigelkrankheit erfahren. Inzwischen scheint Diadema setosum nahezu vollständig entlang der nördlichen Küste des Roten Meeres verschwunden zu sein.“, erklärt Prof. Franz Brümmer, vom Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme der Universität Stuttgart.
„Wir versuchen Diadem-Seeigel-Populationen im Roten Meer zu finden, die nicht betroffen oder sogar resistent gegen die Krankheit, die das Massensterben verursacht, sind“, ergänzt sein Kollege Prof. Ralph Schill, vom Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme.
Unterstützung via App und einem Tauchpionier
Franz Brümmer und Ralph Schill werden von der Wissenschaftlichen Tauchgruppe der Universität Stuttgart (WiTUS) begleitet. Gemeinsam mit insgesamt 47 Tauchcentern, Tauchreiseveranstaltern, Tauchausbildungsorganisationen und vielen Nichtregierungsorganisation die im Umwelt- und Meeresschutz aktiv sind, beginnt jetzt in dem Projekt Dive4Diadema die Suche nach den letzten ihrer Art als Citizen Science Projekt. Über die neue kostenlose und mehrsprachige App für iPhone, iPad und Android Smartphones können Sporttaucherinnen und Sporttaucher ihre Beobachtungen aus dem Mittelmeer und Roten Meer eingeben.
Zudem bekommt das Vorhaben Unterstützung von dem renommierten Tauchpionier und bekannten Verhaltensbiologen Prof. Hans Fricke, der sich bereits in den 1970er Jahren mit Diadema setosum und seinem Verhalten im Roten Meer beschäftigte. Mit dabei ist auch die Marine Science Station (MSS) der University of Jordan. Zusammen mit Prof. Ali Al-Sawalmih, dem Direktor der Station, sind darüber hinaus gehend verschiedene Kooperationsprojekte zur Korallenriffökologie und zum wissenschaftlichen Tauchen angedacht.
Dramatische Veränderung der biologischen Vielfalt
Von der karibischen Art Diadema antillarum sind wiederholte Massensterbe¬ereignisse bekannt. In den frühen 1980er Jahren sind in der Karibik 98 Prozent aller Diadem-Seeigel verschwunden. Die wenig Überlebenden konnten sich in den letzten Jahren langsam wieder erholen, aber 2022 starben erneut etwa 95 Prozent aller Seeigel. Das Verschwinden führte in den entsprechenden Regionen zu dramatischen Veränderungen der Korallenriffe und der gesamten biologischen Vielfalt unter Wasser. Innerhalb kurzer Zeit verwandelten sich die farbenfrohen und artenreichen Korallenriffe zu einer mit Algen überwachsenen und artenarmen Rifflandschaft. Denn Seeigel erfüllen eine wichtige Funktion im Meer: Sie dämmen die Ausbreitung von Algen ein und schaffen damit Platz für die Ansiedlung von Larven und langsamer wachsenden Organismen, wie beispielweise Korallen, Muscheln und Moostierchen. Durch das Abweiden der Algen findet auch gleichzeitig eine starke Bioerosion des Untergrundes statt.
Bis vor kurzem konnte man bis zu 30 Tiere pro Quadratmeter der dämmerungs- und nachtaktiven Art Diadema setosum im Roten Meer finden, die seit einigen Jahren auch als Neozoen ins Mittelmeer eingewandert sind. Letztes Jahr wurden erstmals tote Seeigel in Griechenland beobachtet. Aus den Einzelfällen wurde inzwischen ein Massensterben, das sich, wie einst die Einwanderung der Diadem-Seeigel vom Roten Meer über den Suezkanal ins Mittelmeer, nun in umgekehrte Richtung ins Rote Meer mit großer Geschwindigkeit fortsetzt.
Universität Stuttgart
Weitere Informationen:
Projektwebseite: https://dive4diadema.org/