Ende der 1950er Jahre erhielt die BfG den gesetzlichen Auftrag, die Radioaktivität in den Bundeswasserstraßen zu überwachen. Der Grund: Die Konzentration an künstlichen Radionukliden in der Umwelt nahm stetig zu. Verantwortlich hierfür waren die zahlreichen oberirdischen Kernwaffentests. Die Bundesregierung wollte damit den Schutz von Mensch und Natur vor dieser neuen Gefahr gewährleisten. Später kamen auch Einträge aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie sowie der Anwendung von Radionukliden in Medizin, Forschung und Industrie hinzu. In Erinnerung ist zudem der folgenschwere Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl im April 1986, bei dem es zu einem hohen Eintrag von radioaktiven Stoffen in die Umwelt kam. Heute ist die BfG Teil des Integrierten Mess- und Informationssystems zur Überwachung der Umweltradioaktivität (IMIS) und somit Teil eines bundesweiten Netzwerks zum Schutz der Bevölkerung und Umwelt vor radioaktiver Belastung.
Tritium-Messung an 53 Standorten
Zu dieser Überwachung gehört auch die kontinuierliche Messung von Tritium – ein schwach radioaktives, mit einer Halbwertszeit von 4500 Tagen relativ langlebiges Isotop des Wasserstoffs. Tritium gelangt überwiegend als Nebenprodukt der Kernspaltung durch das Kühlwasser von kerntechnischen Anlagen in die aquatische Umwelt. Neben dieser anthropogenen Quelle wird Tritium auch auf natürliche Weise in der Atmosphäre gebildet und gelangt mit dem Niederschlag in den Wasserkreislauf. Die BfG bestimmt im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages regelmäßig die Tritium-Konzentrationen an 53 Standorten entlang der Bundeswasserstraßen und nimmt zusätzlich Proben von 37 Niederschlagsmessstationen. Dabei arbeiten die BfG-Experten eng mit Wissenschaftlern des Deutschen Wetterdienstes und dem Helmholtz-Zentrum in München zusammen.
Einzigartige Möglichkeiten in Hydrologie und Hydrogeologie
Der frei zugängliche Datensatz, der durch diese Zusammenarbeit entstanden ist, bietet durch seine hohe zeitliche und räumliche Auflösung einzigartige Möglichkeiten. Tritium ist ein oft und gern genutzter Indikator, um vielfältige hydrologische und hydrogeologische Fragestellungen zu beantworten. So kann zum Beispiel in Gebieten mit intensiver Wassernutzung oder spärlichem Wasserdargebot abgeschätzt werden, wieviel Niederschlag dem Grundwasser zufließt. Auch bei Fragen zum Verbleib von Stoffen in Gewässern kann Tritium helfen, Transportwege näher zu untersuchen. Gerade in Zeiten des Klimawandels sind diese Erkenntnisse von hoher wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz und damit besonders wertvoll.
BfG
Originalpublikation:
Schmidt, A, Frank, G, Stichler, W, Duester, L, Steinkopff, T, Stumpp, C. Overview of tritium records from precipitation and surface waters in Germany. Hydrological Processes. 2020; 1– 5.