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Erstaunliches Wettrüsten zwischen Pflanze und Pilz

Gerstenfeld
Gerste, Bild: Pixabay

In der Gerste wurde eine neue Gruppe von Abwehrstoffen gefunden, die gegen ein breites Spektrum an pilzlichen Krankheitserregern wirkt. Eine Ausnahme bildet der Erreger der Wurzelfäule Bipolaris sorokiniana. Der Pilz neutralisiert die Abwehrstoffe und benutzt sie, um besser zu wachsen. Die Ergebnisse der Studie von Forschenden des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB) und Partnern der Universität Köln wurden jüngst in der renommierten Fachzeitschrift Molecular Plant publiziert. Sie zeigen eindrucksvoll, wie ein Krankheitserreger das Immunsystem der Pflanze nicht nur umgeht, sondern sogar erfolgreich zum eigenen Vorteil ausnutzt.

Pilzliche Krankheitserreger sorgen vor allem in wärmeren Regionen für große Ertragseinbußen bei verschiedenen Getreidearten, wie Gerste, Mais und Weizen. Durch die Erwärmung der nördlichen Hemisphäre stellen sie auch in unseren Breiten eine zunehmende Bedrohung dar. Die befallenen Pflanzen sind der Erreger-Attacke jedoch nicht schutzlos ausgeliefert. Nach dem Eintritt der Mikroorganismen ins Wurzelgewebe produzieren sie eine Reihe von verschiedenen Abwehrstoffen, die man unter dem Begriff Phytoalexine zusammenfasst. Jede Pflanzenart verfügt dabei über ihr ganz eigenes Arsenal an Phytoalexinen. Die Abwehrsubstanzen sind strukturell sehr verschieden und bedienen entsprechend auch unterschiedliche Wirkmechanismen, um die Erreger in Schach zu halten.

Eine Reihe von neuen Phytoalexinen haben die IPB-Wissenschaftler nun auch in der Wurzel von Gerstenpflanzen nachgewiesen, nachdem sie die Pflanzen mit verschiedenen pilzlichen Krankheitserregern infiziert hatten. Die Abwehrstoffe gehören zur Stoffklasse der Diterpenoide. Abgeleitet vom lateinischen Namen der Gerste (Hordeum vulgare) erhielten sie die Bezeichnung Hordedane. Insgesamt 17 verschiedene Hordedane konnten in den Wurzeln der infizierten Gerste nachgewiesen werden. Auch der Stoffwechselweg innerhalb der Pflanze, der zur Produktion dieser Hordedan-Verbindungen führt, wurde von den Hallenser Wissenschaftlern erfolgreich aufgeklärt.
Hordedane, so die neuesten Ergebnisse, wirken als Breitbandantimykotikum. Sie hemmen vor allem die Sporenkeimung und das Wachstum von einigen schädlichen und auch nützlichen Pilzarten. Überraschenderweise fand man jedoch eine Ausnahme: Der Pilz Bipolaris sorokiniana zeigte sich in seinem Wachstum nicht nur unbeeindruckt von den Hordedanen, sondern im Gegenteil: Er wuchs sogar besser in Anwesenheit dieser ursprünglich zu seiner Vertreibung produzierten Phytoalexine. Das haben die Hallenser Wissenschaftler mit abwehrgeschwächten Gerstenmutanten herausgefunden, die nicht mehr in der Lage waren, Hordedane zu produzieren. Bipolaris sorokiniana wuchs in diesen Mutanten langsamer als in den Wildtyp-Pflanzen.

Der genaue Mechanismus dieser pilzlichen Gegenoffensive ist noch nicht bekannt. Weiterführende Untersuchungen mit der prominentesten Hordedanverbindung 19-β-Hydroxy-Hordetriensäure (19-OH-HTA) zeigten aber: Bipolaris sorokiniana ist in der Lage, 19-OH-HTA zu oxidieren und an pilzeigene Substanzen zu binden. Dadurch wird offenbar die Wirkung des Phytoalexins neutralisiert. Gleichzeitig modifiziert der Pilz seine parasitische Daseinsform. Bipolaris sorokiniana ernährt sich nämlich ursprünglich zunächst von lebenden Pflanzenzellen, die er dann gezielt zerstört. In den lebenden Zellen wächst der Erreger sehr schnell, während er im toten Pflanzengewebe vermehrt Sporen bildet, um neue Wirtspflanzen zu infizieren. Durch die Umwandlung der pflanzlichen Hordedane in pilzeigene Strukturen kann der Erreger eine molekulare Signalkette aktivieren, die es ihm erlaubt, seine pflanzliche Wirtszelle nicht sofort abzutöten, sondern länger am Leben zu erhalten. Das ermöglicht ihm eine längere und entsprechend erfolgreichere Wachstumsphase, so die Vermutung der Wissenschaftler. Der Pilz bricht dem pflanzlichen Speer die Spitze ab und gebraucht sie zum eigenen Wachstum.

Die Hallenser Studie veranschaulicht deutlich: Die Interaktionen zwischen Krankheitserregern und ihren Pflanzenwirten sind sehr komplex und bisher wenig verstanden. Krankheitserreger wirken in diesem Zusammenspiel als Triebfeder der Evolution. Sie zwingen den Wirt zu immer neuen Anpassungsreaktionen, die wiederum von den Erregern hintertrieben, außer Kraft gesetzt oder zum eigenen Vorteil umgemünzt werden. Durch diese beiderseitigen Gegenschläge entwickeln sich alle beteiligten Organismen stetig weiter.

Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie


Originalpublikation:

Yaming Liu, Dario Esposto, Lisa K. Mahdi, Andrea Porzel, Pauline Stark, Hidayat Hussain, Anja Scherr-Henning, Simon Isfort, Ulschan Bathe, Iván F. Acosta, Alga Zuccaro, Gerd U. Balcke & Alain Tissier. Hordedane diterpenoid phytoalexins restrict Fusarium graminearum infection but enhance Bipolaris sorokiniana colonization of barley roots. Molecular Plant 2024, 17(8), 1307-1327. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1674205224002259