Derzeit ist es kaum realistisch, dass Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden kann – dieses Ziel hat sich die Bundesregierung gesetzt. Verzögertes Handeln von Politik und Wirtschaft, klimaschädliche Konsumtrends, ein Rechtsruck und weniger Rückhalt in Teilen der Bevölkerung gefährden den dringenden Umbau, wie die jetzt veröffentlichte Studie zeigt.
„Eine Ursache sind Blockade- und Eskalationsspiralen, die sich selbst verstärken“, sagt Studienautor Prof. Stefan Aykut vom Exzellenzcluster CLICCS und Inhaber einer Mercator Stiftungsprofessur. „Verzögert sich der Klimaschutz, weil nötige Maßnahmen verschleppt wurden, wird die Verminderung von CO2 häufig teurer. Dadurch kann die Zustimmung zum Klimaschutz schwinden und es kommt zu Konflikten, wenn der Eindruck entsteht, dass Kosten nicht gerecht verteilt werden. In der Folge verzögern sich klimapolitische Maßnahmen immer weiter – was die Kosten noch mehr steigen lässt.“
Ein Beispiel, das in der Studie analysiert wurde, ist die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz, auch „Heizungsgesetz“. Gebäude erzeugen erhebliche Emissionen, die aber bisher in Deutschland und Europa viel zu langsam reduziert wurden. Deshalb wird ab 2027 der CO2-Ausstoß aus Gebäuden europaweit verteuert. Darauf wollte die Ampelregierung das Land durch das Heizungsgesetz vorbereiten – auch damit Heizen nicht schlagartig mehr kostet. Doch die konfrontative Diskussion im Jahr 2023 – die Bild-Zeitung sprach von „Habecks Heizungshammer“ – hatte einen gegenteiligen Effekt. Klimaschädliche Öl- und Gasheizungen wurden verstärkt gekauft, während der Absatz emissionsärmerer Wärmepumpen eingebrochen ist.
„Jetzt ist der Unmut über eine – eigentlich sinnvolle – Maßnahme vorprogrammiert, wenn Heizen ab 2027 teurer wird“, so Aykut. „Ein finanzieller Ausgleich für ärmere Haushalte, beispielsweise ein Klimageld und eine langfristig verlässliche Umsetzung von Maßnahmen sollten daher Priorität haben. Denn für erfolgreiche Klimapolitik braucht es den starken Rückhalt der Bevölkerung.“
Das Forschungsteam untersuchte auf Grundlage von umfassenden Recherchen, Interviews und Medienanalysen, ob folgende Schlüsselprozesse ausreichend Kraft entwickeln, um die deutschen Klimaziele zu erfüllen: nationale Klimapolitik, globale Klimapolitik, kommunaler Klimaschutz, Unternehmenshandeln, Konsummuster, Klimabewegungen sowie Klimaklagen. Das Ergebnis: Fünf dieser Prozesse unterstützen die Klimaneutralität überwiegend oder teilweise, allerdings nicht ausreichend, um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Unternehmenshandeln bleibt ambivalent, während die Konsummuster derzeit das Klimaziel verhindern.
Maßgeblich unterstützt wird der Klimaschutz von Verwaltungen und Initiativen auf lokaler Ebene. Die Forschenden zeigen, dass hier Strukturen aufgebaut wurden, die längerfristig wirken und somit eine Zeit lang anti-ökologischen Stimmungen widerstehen können. Die Studie empfiehlt, diese Ressource weiter auszubauen und vor allem Kommunen finanziell zu unterstützen. Außerdem sollten Initiativen aus der Gesellschaft, die den Klimaschutz vorantreiben, rechtlich und politisch gestärkt werden.
Zusammen mit der Studie erstellt das Team die erste umfassende und frei verfügbare Datenbank für Klimaklagen in Deutschland. Zurzeit sind hier 175 Verfahren zum Beispiel gegen Verwaltungen, Landesregierungen oder Unternehmen aufgenommen. „Klimaklagen sind ein wirksames Mittel für mehr Klimaschutz“, so Prof. Aykut. „Werden sie positiv beschieden, haben sie langfristig Signalwirkung und liefern Argumente für ähnliche Klagen.“ In Deutschland nahm die Zahl Klimaklagen in den vergangenen Jahren ebenso zu wie der Anteil der positiven Entscheide.
(Universität Hamburg)
Originalpublikation:
Aykut SC, Fünfgeld A, Gresse EG, Hüppauff L, Frerichs L (eds.) (2025): Klimawende Ausblick 2025. Band 2: Plausibilität der Transformation in Zeiten von anti-ökologischem Backlash und abnehmender Resonanz. Transcript Verlag; DOI 10.14361/9783839468609




