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Empfehlungen zur biologischen Bildung in Schule und Lehramtsstudium in Zeiten der Corona-Pandemie

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Der Arbeitskreis Gesundheit & Biologie im VBIO hat in Kooperation mit dem Arbeitskreis Schulbiologie im VBIO Empfehlungen zur biologischen Bildung in Schule und Hochschule in Zeiten der Corona-Pandemie vorgelegt. Diese führen das kürzlich veröffentlichte Impulspapier zum „Stellenwert der biologischen Bildung angesichts der Herausforderungen von SARS-CoV-2 und Covid-19" fort und ergänzen dies mit konkreten Vorschlägen.
Empfohlen wird, bei Wiederaufnahme des Lehr- und Lernbetriebs im Rahmen biologischer Bildung in der Schule ebenso wie im Lehramtsstudium verschiedene Kernideen prominent zu bearbeiten, und zwar Kernideen zum biologischen Verständnis der Corona-Pandemie, Kernideen zum Konzept von Gesundheit sowie Kernideen zum allgemeinen Wissenschaftsverständnis.

Die Corona-Pandemie hat den Alltag aller Menschen innerhalb kürzester Zeit gravierend verändert. Bildungseinrichtungen im deutschsprachigen Raum sind von der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus (SARS CoV-2) und der damit verbundenen Erkrankung (Covid-19) betroffen. Ein Normalbetrieb erscheint in Schulen und Hochschulen sowie außerschulischen Bildungseinrichtungen daher auch auf lange Sicht hin nicht möglich zu sein.

Biologische Bildung ist ein wesentlicher Teil der Allgemeinbildung, auf den in diesen Zeiten nicht verzichtet werden kann (vgl. Impuls des AK Gesundheit und Biologie 2020). Sie unterstützt junge Menschen dabei, gesundheitsbezogene Informationen zur Corona-Pandemie ausfindig zu machen, zu verstehen, zu beurteilen und zu nutzen, um die eigene Gesundheit und die Gesundheit Anderer zu erhalten. Dafür sind das Verständnis von biologischen Kernideen zur Virologie, Immunbiologie, und Epidemiologie, aber auch von den verschiedenen Dimensionen von Gesundheit sowie ein adäquates Wissenschaftsverständnis wesentlich.

Biologische Kernideen zum Thema Corona-Pandemie
Die nachfolgenden Kernideen wurden für Lehrende der Biologie- und Naturwissenschaften an schulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen zusammengestellt. Sie sind Ergebnis einer Elementarisierung, wobei die Zusammenstellung nicht abschließend ist. Die Komplexität und der Umfang der thematisierten Inhalte können adressatenbezogen variiert werden.

1) Kernideen zum biologischen Verständnis der Corona-Pandemie:

  • Biologie der Viren: Aufbau, Reproduktion, Mutationen (Mutationsrate als Evolutionsfaktor), Zoonosen
  • Verbreitung des Virus: Übertragungswege (Tröpfcheninfektion, Schmierinfektion), Exponentialität, R0-Wert/Basisreproduktionszahl
  • Infektion und Erkrankungsverlauf: Infektion mit SARS-CoV-2 löst Covid-19 aus, exponentielle Zunahme der Infektionen, Inkubationszeit, Beeinträchtigungen durch Covid-19 auf verschiedenen Organisationsebenen (z.B. Lunge, Herzkreislaufsystem, Geruchssinn), Struktur und Funktion des Immunsystems, individuell unterschiedliche Verlaufswege, Risikofaktoren und -gruppen

Das Verständnis dieser biologischen Kernideen ist eine wesentliche Grundlage für das Beurteilen wissenschaftlich oder politisch angeratener Maßnahmen, die gegen eine weitere Verbreitung des Virus ergriffen wurden und werden. Dazu zählen zum Beispiel verhaltensbezogene Richtlinien im Bereich Hygiene wie korrektes Händewaschen, „neue Etikette“ beim Husten und Niesen, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sowie die Reduktion sozialer Kontakte. Über das Verständnis der biologischen Kernideen können zudem medizinische Vorgehensweisen, wie die Diagnoseverfahren für eine SARS-CoV-2 Infektion (Abstrich im Rachen -> Virusnachweis über PCR oder Antikörper-Schnelltest; Blutentnahme -> Antikörpernachweis im Blut) sowie Wirkmechanismen von antiviralen Medikamenten (Hemmung des Eindringens in Wirtszellen und Reproduktion) und Impfstoffen (passive und aktive Immunisierung) nachvollzogen und beurteilt werden.
 

2) Kernideen zum Konzept von Gesundheit:

Die Corona-Pandemie verursacht ein Dilemma, das sich auf die individuelle Gesundheit auswirkt und für uns alle erfahrbar ist: Menschliche Bedürfnisse nach sozialen Kontakten und Nähe oder wirtschaftlicher Sicherheit müssen gegen epidemiologische Erkenntnisse abgewogen werden. Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit sondern umfasst sie sowohl physische als auch psychische und soziale Aspekte. Jede Entscheidung zur Eindämmung der Corona-Pandemie wirkt sich vielfältig auf die individuelle Gesundheit aus, so z.B. über psychischen Stress durch Vereinsamung, durch unsichere Arbeitssituationen oder beengte Wohnverhältnisse. Einige Schüler*innen und Studierende erleben möglicherweise ein hohes Maß an Stress durch den veränderten „Schulalltag” im Home-Schooling oder in der Online-Lehre, weil sie den Anforderungen nicht gerecht werden können. Damit ergibt sich für die Corona-Pandemie eine Situation, in der gestaltend zwischen verschiedenen gesundheitlichen Risiken abzuwägen ist. Entsprechend kann folgende Kernidee festgehalten werden:

  • Gesundheit umfasst physische, psychische und soziale Aspekte, die durch die Corona-Pandemie in vielfältiger Weise betroffen sind

3) Kernideen zum Wissenschaftsverständnis, naturwissenschaftlichem Arbeiten, gesellschaftlichen Aufgaben von Wissenschaft und Politik sowie der Prüfung von Ansprüchen und Zielen unterschiedlicher Gruppen:

  • wissenschaftliche Erkenntnisse können sich mit zunehmender Datenlage ändern und damit sind auch daraus abgeleitete Empfehlung nicht endgültig. Ergebnisse verschiedener Studien müssen in Beziehung gesetzt werden. Unterschiedliche Personen können aufgrund der Interpretation derselben Datenlage zu unterschiedlichen Erkenntnissen und Empfehlungen kommen. Daher ist ein wissenschaftlicher Diskurs notwendig und unerlässlich.
  • die Prozesse von Diagnose, Impfstoff- und Medikamentenentwicklung sind lang andauernd und erfordern gestufte Test- und Zulassungsverfahren (randomisierte, kontrollierte Experimentalstudien) sowie die Einhaltung entsprechender Ethik-Standards.
  • Wissenschaft und Politik vertreten gesellschaftlich unterschiedliche Aufgaben und können daher auch mit Blick auf die Corona-Pandemie unterschiedliche Perspektiven einnehmen. Gesellschaftliche Entscheidungen sollten daher stets in einem Aushandlungsprozess getroffen werden.
  • Während der Pandemie verbreiten sich „Fake News” rasant und tragen zur Unsicherheit der Bevölkerung bei. Daher ist es wichtig zu lernen, woran man vertrauenswürdige wissenschaftliche Informationen erkennen kann (z.B. Quelle, Ansprüche/Ziele der Verfasser*innen, Heilsversprechen).

Die Corona-Pandemie stellt eine epochale Herausforderung dar, welcher wesentlich mit geeigneten Bildungsmaßnahmen sowie dem Aufbau relevanter Kompetenzen begegnet werden kann. Der Arbeitskreis Gesundheit & Biologie empfiehlt daher, diese Kernideen bei Wiederaufnahme des Lehr- und Lernbetriebs im Rahmen biologischer Bildung in Schule und Hochschule prominent zu bearbeiten.

(Arbeitskreis Gesundheit & Biologie im VBIO - Stand: 20. April 2020)


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