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Verborgener Schatz der Tiefsee: Neue Korallenart auf Manganknollen entdeckt

Deltocyathus zoemetallicus ist die erste hartschalige Koralle, die direkt auf den Mineralaggregaten lebt.
Deltocyathus zoemetallicus ist die erste hartschalige Koralle, die direkt auf den Mineralaggregaten lebt. Ihr Lebensraum ist unmittelbar vom Tiefseebergbau bedroht. Copyright: Bribiesca-Contreras et al, 2025

Ein internationales Forschungsteam hat eine neue Art von Tiefseekoralle entdeckt, die auf Manganknollen lebt – denselben mineralreichen Gesteinsbrocken, die weltweit zunehmend das Interesse an Tiefseebergbau wecken. Deltocyathus zoemetallicus – jetzt erstmals in einer Studie im Fachjournal „Zoological Journal of the Linnean Society“ beschrieben – wurde in mehr als 4.000 Metern Tiefe in der Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) des Pazifischen Ozeans gefunden, als erste bekannte Steinkorallenart, die direkt auf diesen Knollen lebt. 

Der Boden der Tiefsee galt früher als flach, schlammig und weitgehend unbelebt. Heute wissen wir jedoch, dass er eine Vielzahl von Lebensräumen und eine reiche Artenvielfalt beherbergt. Doch die Tiefsee ist zunehmend bedroht – durch Herausforderungen wie den Klimawandel, Verschmutzung und Tiefseebergbau. Damit wächst auch die Bedeutung der Tiefseeforschung, um diese wertvollen Ökosysteme besser zu verstehen.
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Guadalupe Bribiesca-Contreras (National Oceanography Centre in Southhampton) und Dr. Nadia Santodomingo vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, hat nun eine neue Steinkorallenart im östlichen Pazifik beschrieben. Ihr Name, Deltocyathus zoemetallicus, spiegelt den einzigartigen Lebensraum dieses Tieres wider – es lebt auf Polymetallknollen (zoemetallicus: zoe = Leben, metallicus = Metall). Die neue Art wurde in Tiefen zwischen 4.150 und 4.250 Metern in der Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) entdeckt, einem riesigen Meeresgebiet zwischen Hawaii und Mexiko. Die CCZ beherbergt die weltweit größten bekannten Vorkommen von Manganknollen – kartoffelgroße Mineralaggregate, die reich an Mangan, Nickel, Kobalt und anderen Metallen sind, die beispielsweise für Batterien von Elektrofahrzeugen und Technologien für erneuerbare Energien benötigt werden.

„Diese winzige Koralle ist ein verborgener Schatz der Tiefsee“, betont Santodomingo. „Sie lebt direkt auf den Knollen, die für die Industrie abgebaut werden sollen. Wenn diese Knollen entfernt werden, riskieren wir die Auslöschung einer ganzen Art, die wir gerade erst entdeckt haben.“

Im Gegensatz zu Flachwasserkorallen, die häufig symbiotische Algen beherbergen, die ihnen mithilfe sonnenabhängiger Photosynthese Nährstoffe liefern, überlebt Deltocyathus zoemetallicus in völliger Dunkelheit. Die  azooxanthellate Steinkoralle hat keine Algenpartner, sondern ernährt sich von Partikeln, die im Wasser treiben. Während mehrerer Expeditionen an Bord der OSV Maersk Launcher und der RRS James Cook sammelten die Forschenden mithilfe von Boxcorern – Sammelwerkzeuge für weiche Meeressedimente – Exemplare der neuen Korallenart sowie Manganknollen, auf denen sie wachsen. Anschließend analysierte das Team die Tiere mit hochauflösenden Bildgebungsverfahren und 3D-Mikro-CT-Scans, um zu bestätigen, dass es sich um eine zuvor noch nicht wissenschaftlich beschriebene Art handelt.
Steinkorallen (Scleractinia) bilden harte Skelette aus Kalziumkarbonat. Während die meisten Menschen sie mit flachen tropischen Riffen verbinden, leben viele Arten – wie Deltocyathus zoemetallicus – in der Tiefsee, ohne jegliches Sonnenlicht. Einige Exemplare der neuen Art wurden in einer Tiefe gesammelt, in der sich Kalziumkarbonat bereits aufzulösen beginnt, der sogenannten Carbonat-Kompensationstiefe. Die Tiere besitzen offenbar besondere Anpassungen, um ihre harten Skelette unter solchen extremen Bedingungen bewahren zu können.

Korallen der Gattung Deltocyathus sind in allen Ozeanbecken zu finden, mit Ausnahme der Arktis und der Gewässer um die Antarktis. Sie besiedeln normalerweise Tiefen zwischen 200 und 1.000 Metern, wobei die tiefste bekannte Art in 5.080 Meter gefunden wurde. Die meisten Deltocyathus-Arten leben frei auf dem Meeresboden und liegen locker auf dem Sediment. Eine Ausnahme bilden die atlantische Art Deltocyathus halianthus sowie nun Deltocyathus zoemetallicus, die sich an harte Substrate anheften.
Ihr Siedeln auf Polymetallknollen markiert eine einzigartige ökologische Beziehung, die zum ersten Mal in dieser Art für eine Tiefsee-Steinkoralle dokumentiert wurde. Da die Knollen nur wenige Millimeter pro Million Jahre wachsen, würde ihre Entfernung durch den Tiefseebergbau nicht nur den Lebensraum der Koralle zerstören, sondern auch jede Möglichkeit zur Wiederbesiedlung verhindern.

„Diese Entdeckung zeigt, wie wenig wir über das Leben in der Tiefsee wissen“, erklärt Bribiesca-Contreras. „Jede neue Art, die wir finden, erinnert uns daran, dass der Meeresboden ein lebendiges Ökosystem ist – und dass noch viel Forschungsarbeit vor uns liegt, um ihn vollständig zu erkunden und zu verstehen.“

Während Regierungen und Unternehmen der Genehmigung des kommerziellen Bergbaus in der CCZ näher kommen, gehört die Entdeckung von D. zoemetallicus zur ständig zunehmenden Zahl von Hinweisen darauf, dass diese abyssalen Ökosysteme einzigartige, verletzliche und größtenteils unentdeckte Biodiversität beherbergen.

„Der Schutz dieser Lebensräume bedeutet nicht nur, eine Koralle zu bewahren“, ergänzt Santodomingo. „Es geht darum, eine ganze Welt von Tiefseeleben zu erhalten, die verschwinden könnte, bevor wir überhaupt wissen, dass sie existiert.“

Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt


Originalpubliaktion:

Guadalupe Bribiesca-Contreras, Nadia Santodomingo et al., Hidden gems of the abyss: first species of azooxanthellate scleractinian coral (Scleractinia: Deltocyathidae) attached to polymetallic nodules in the eastern Pacific Ocean, Zoological Journal of the Linnean Society, Volume 205, Issue 3, November 2025, https://doi.org/10.1093/zoolinnean/zlaf146

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