„Als Prof. Dr. Li-Jia Qu von der Peking Universität in China mich vor 12 Jahren angesprochen hat, um gemeinsam die Rolle von allen Cystein-reichen Mikroproteinen während der Fortpflanzung von Blütenpflanzen herauszufinden, musste ich schmunzeln und hatte ihn damals nicht ganz ernst genommen“, meint Prof. Dr. Thomas Dresselhaus, Lehrstuhl für Zellbiologie und Pflanzenbiochemie am Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Regensburg. Bereits die erste gemeinsame Veröffentlichung der beiden Forscher 2015 hatte gezeigt, dass es hunderte solcher Mikroproteine oder Peptide gibt und deren Gene meistens in Genfamilien organisiert sind. So haben die Forscher herausgefunden, dass beispielsweise von den 37 Mitgliedern der RALF (Rapid ALkalinization Factor) Genfamilie in der Modellpflanze Arabidopsis (Ackerschmalwand) und den 24 Mitgliedern bei der wichtigen Nutzpflanze Mais über die Hälfte der Gene während der Befruchtung angeschaltet sind. Durch die Vielzahl der Gene ist deren Funktionsanalyse eine große Herausforderung, die viel Man- und Woman-Power benötigt und in Deutschland kaum möglich ist, betont Prof. Dresselhaus.
Inzwischen haben die Forscher in der Modellpflanze Arabidopsis Funktionen von 18 RALFs bei der Befruchtung herausgefunden und konnten u.a. zeigen, dass RALFs die Zellwandintegrität während des Pollenschlauchwachstums, den Austritt von nur jeweils einem Pollenschlauch aus dem Transmissionsgewebe zur Samenanlage und die Freisetzung der Spermazellen, kontrollieren. In den beiden neuesten Forschungsarbeiten haben die Forscher jetzt sog. sRALFs entdeckt, die in Papillenzellen der Blütennarbe kontrollieren, dass nur eigene Pollenschläuche ins Transmissionsgewebe eindringen können. Nur wenn kompatible pRALFs in Pollen vorhanden sind, wird nach einem Schloss und Schlüssel-Prinzip das Einwachsen eigener Pollenschläuche ermöglicht. In ersten Anwendungen haben die Forschenden dieses Wissen bereits genutzt, um Kreuzungsbarrieren zwischen Pflanzenarten zu überwinden, die bisher nicht gekreuzt werden können – mit dem langfristigen Ziel neue und verbesserte Nutzpflanzen erzeugen zu können.
Um herauszufinden, inwieweit sich Ergebnisse aus der Modellpflanze Arabidopsis auf die landwirtschaftlich wichtigste Kulturpflanze Mais übertragen lassen, deren Geschlechtsorgane sich zudem in ihrer Morphologie stark von denen von Arabidopsis unterscheiden, wurden RALF-regulierte Signalmechanismen zwischen den beiden Arten verglichen. Es hat sich gezeigt, dass RALF-regulierte Befruchtungsprozesse nur teilweise konserviert sind und daher in Kulturpflanzen selbst untersucht werden müssen. Zudem wurde gezeigt, dass RALF-Proteine bei der Regulierung der Zellwandintegrität von Pollenschläuchen eine Doppelrolle als Zellwandkomponenten und extrazelluläre Sensoren spielen.
Mit bisher 16 gemeinsamen Publikationen in den besten Fachjournalen wie Science und Cell blicken die Forscher auf eine inzwischen sehr erfolgreiche Zusammenarbeit, bei der u.a. auch mehrere Doktorandinnen der Peking Universität (wie die Erstautorin der unten genannten Veröffentlichung in Cell) für i.d.R. ein Jahr an der Universität Regensburg geforscht haben bzw. aus Regensburg bis zu zwei Monate in China gearbeitet haben. Zudem hat Prof. Dresselhaus im Rahmen der Zusammenarbeit mehrere Wochen an verschiedenen Universitäten in China unterrichtet. „Auch wenn Kooperationen mit Arbeitsgruppen in China in Deutschland teilweise kritisch gesehen werden”, gibt Prof. Dresselhaus zu bedenken, „so ist zumindest in diesem Fall - und grundsätzlich in den Pflanzenwissenschaften - i.d.R. eine Kooperation zum gegenseitigen Nutzen. Insbesondere auch um verbesserte Kulturpflanzen zu erzeugen und so gemeinsam einen Beitrag zur Welt-Ernährungssicherung beizutragen.”
Universität Regensburg
Originalpublikationen:
Liang-Zi Zhou et al., „The RALF signaling pathway regulates cell wall integrity during pollen tube growth in maize”. Plant Cell 36:1673–1696 (2024)
https://doi.org/10.1093/plcell/koad324
Zijun Lan et al., „Antagonistic RALF peptides control an intergeneric hybridization barrier on Brassicaceae stigmas”. Cell 186: 4773-4787 (2023).
https://doi.org/10.1016/j.cell.2023.09.003