Erkenntnisse über Art und Umfang der Nährstoffe, welche die Pflanzen den mit ihren Wurzeln verflochtenen Pilzen entziehen, sind aufschlussreich für das Verständnis der Biodiversität und Funktionsweise von Ökosystemen. Kohlenstoff ist dabei von besonderem Interesse: Nach einer immer noch weit verbreiteten Auffassung produzieren Pflanzen den gesamten Kohlenstoff, den sie benötigen, durch eigene Photosynthese und werden daher als autotroph bezeichnet. Viele Pflanzen sind jedoch heterotroph: Sie benutzen die Symbiose mit Pilzen, die sogenannte Mykorrhiza, um den Pilzpartnern Kohlenstoff zu entziehen: Es gibt sogar Pflanzen, die auf diese Weise ihren gesamten Kohlenstoffbedarf decken und die eigene Photosynthese völlig eingestellt haben.
Isotopenanalysen bieten Einblicke in den unterirdischen Nahrungstransfer
Die Erforschung des Nahrungstransfers von Pilzen zu Pflanzen macht sich seit vielen Jahren die Tatsache zunutze, dass der von den Pflanzen selbst hergestellte Kohlenstoff ein anderes Isotopenprofil aufweist als der in den Pilzpartnern vorhandene Kohlenstoff. Das bedeutet: Die Isotope des Kohlenstoffs – dies sind Kohlenstoffatome, die sich allein durch die Anzahl der Neutronen in ihrem Kern unterscheiden – kommen in den Pilzpartnern in anderer Häufigkeit vor als im Kohlenstoff, den die Pflanzen durch eigene Photosynthese produzieren. Die Isotopenanalyse des in Pflanzen gespeicherten Kohlenstoffs erlaubt daher Rückschlüsse auf die Höhe des Kohlenstoffanteils, der aus Pilzen stammt. Diese Berechnungen sind allerdings nur möglich, wenn zwei Referenzwerte bekannt sind: das Isotopenprofil des Kohlenstoffs in autotrophen Pflanzen und das Isotopenprofil des Kohlenstoffs in den Pilzpartnern. Zwischen beiden Referenzwerten liegt das Isotopenprofil des Kohlenstoffs in heterotrophen Pflanzen, die einen Teil des benötigten Kohlenstoffs ihren Pilzpartnern entziehen. Auf diesem Weg hat die Isotopenforschung bereits eine Vielzahl neuer Erkenntnisse über Symbiosen zwischen Pilzen und Pflanzen zutage gefördert.
Ein Türöffner für die Ökosystemforschung: ein neues Verfahren aus Bayreuth
Bisher allerdings unterlag die Forschung einer erheblichen Einschränkung: Die Pilzpartner mussten eigene Fruchtkörper bilden und ihren Kohlenstoff darin abspeichern. Nur unter dieser Voraussetzung war pilzeigener Kohlenstoff in den für Isotopenanalysen erforderlichen Mengen zugänglich. Nun ist aber schon seit langem bekannt, dass nur etwa zehn Prozent der Pilze, die in einer Symbiose mit Pflanzen leben, Fruchtkörper ausbilden. Folglich fehlte meistens einer der zwei Referenzwerte, die nötig sind, damit Art und Umfang pflanzlicher Heterotrophie zuverlässig bestimmt werden können: Für dieses Problem hat das Bayreuther Forschungsteam jetzt eine Lösung gefunden. Den Wissenschaftler*innen ist es gelungen, pilzeigenen Kohlenstoff aus den Pilzfäden – den sogenannten Hyphen – herauszulösen, die mit den Wurzeln von Pflanzen verflochten waren. Auch pilzeigenen Stickstoff und Wasserstoff konnten sie auf diesem Weg isolieren. Die im „New Phytologist“ veröffentlichten Studien enthalten eine Vielzahl von Beispielen für Anwendungen der Isotopenanalyse, die das neue Verfahren jetzt möglich gemacht hat. „Für die Ökosystem-Forschung zu symbiotischen Beziehungen von Pflanzen und Pilzen stehen jetzt die Türen weit offen“, sagt Prof. Dr. Gerhard Gebauer.
Fallstudien an Waldpflanzen und Orchideen
Im Fokus der Untersuchungen standen Pilze ohne Fruchtkörper, die mit kleinen blattlosen, zur Photosynthese unfähigen und damit völlig heterotrophen Pflanzen in einer arbuskulären Mykorrhiza leben. Hierbei handelt es sich um eine besonders häufige, weit in die Evolutionsgeschichte zurückreichende Form der Symbiose von Pflanzen und Pilzen. Forschungspartner in Japan und Australien hatten die Waldpflanzen den Wissenschaftler*innen in Bayreuth zur Verfügung gestellt, denen es gelang, Zellfäden (Hyphen) der Pilze aus dem Wurzelgeflecht der Waldpflanzen herauszulösen und für Isotopenanalysen zu präparieren. Die Analysen lieferten erstmalig Isotopenhäufigkeiten von Pilzpartnern der arbuskulären Mykorrhiza bei völlig heterotrophen Pflanzen. Ein weiterer Schwerpunkt der Forschungsarbeiten waren die Isotopenprofile von Orchideen, die in Nordostbayern heimisch sind und ebenfalls eine Mykorrhiza mit Pilzen bilden, die keine Fruchtkörper produzieren. Aber auch eine auf Hawaii angesiedelte Orchidee wurde zum Vergleich in die Untersuchungen einbezogen. Aus den Wurzelzellen der Orchideen wurden Pelotone von Pilzen – dies sind kleine ballförmige Knäuel von Hyphen – isoliert, was sich als besonders schwierig erwies. Erste Isotopenanalysen deuten darauf hin, dass die ausgewählten Orchideen ebenfalls einen erheblichen Anteil ihres Bedarfs an Stickstoff und anderen Nährstoffen den Pilzen entziehen.
Universität Bayreuth
Originalpublikation:
Franziska E. Zahn et al.: Novel insights into orchid mycorrhiza functioning from stable isotope signatures of fungal pelotons. New Phytologist (2023), WWW: https://nph.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/nph.18991 // DOI: 10.1111/nph.18991
Sofia I.F. Gomes et al.: Stable isotope natural abundances of fungal hyphae extracted from the roots of arbuscular mycorrhizal mycoheterotrophs and rhizoctonia-associated orchids. New Phytologist (2023), WWW: https://nph.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/nph.18990 // DOI: 10.1111/nph.18990