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In bester Gesellschaft – Neue Funde aus Uganda erhellen Evolution der Hirschferkel

Linke Oberkieferzahnreihe von Dorcabune iririensis, eine der entdeckten Hirschferkelarten aus Uganda (NAP XV 108‘08). (Foto: Manuela Schellenberger, SNSB-BSPG)

Neue Fossilfunde aus Uganda zeigen, dass zur Zeit des Miozän vor 20,5 bis 16 Millionen Jahren deutlich mehr Hirschferkelarten auf dem afrikanischen Kontinent lebten, als bisher angenommen. Eine der Fundstellen am Akisim Mountain offenbarte die bisher älteste Gemeinschaft von mehreren Hirschferkelarten in Afrika. SNSB Paläontologinnen veröffentlichten ihre Ergebnisse kürzlich in der paläontologischen Fachzeitschrift Historical Biology.

Hirschferkel (Tragulidae) sind kleine Paarhufer, die heute in Zentralafrika und Süd- bis Südostasien zurückgezogen und scheu im dichten Unterholz leben. Sie sind weder Hirsche noch Schweine, auch wenn der Name das vermuten lässt, sondern eine eigene Wiederkäuergruppe. Funde fossiler Hirschferkel aus Afrika sind nur aus wenigen Regionen bekannt, die Fossilien selbst sind oft unvollständig. Bisher wusste man, dass ursprünglich nur eine kleine Hirschferkelart im frühen Miozän Afrikas lebte (vor ca. 20.5 Mio Jahren), die etwas später (vor ca. 20 Mio Jahren) Gesellschaft von einer weiteren kleinen und drei größeren Arten bekam.

Nun brachten neue Fossilfunde und geologische Untersuchungen Licht in die frühe Evolution der Hirschferkelfauna Afrikas. Ein Team um die Paläontologinnen Sarah Musalizi und Gertrud Rößner von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie (SNSB-BSPG) untersuchten Zähne von fossilen Hirschferkeln aus 12 frühmiozänen Fundstellen in Napak, Uganda. Die Fossilien waren eingebettet in 700 m mächtige und 20,5 bis 16 Millionen Jahre alte Sedimentschichten am Akisim Mountain. Die Paläontologen:innen entdeckten dort nicht nur die bisher älteste Hirschferkelsympatrie Afrikas, also das gemeinsame Vorkommen mehrerer nah verwandter Arten im selben Gebiet. Sie konnten auch zeigen, dass die Vielfalt der Hirschferkel zur Zeit des frühen Miozäns größer war als bisher angenommen.

„Unsere Untersuchungen widersprechen der bisherigen Annahme der anfänglichen Existenz von nur einer Hirschferkelart auf dem afrikanischen Kontinent. Auch die etwas später auftretenden größeren Arten entpuppten sich als viel diverser, als uns bisher bekannt war. Unsere Funde erfordern eine neue Sichtweise auf die Evolutionsgeschichte der miozänen afrikanischen Hirschferkel“, sagt Sarah Musalizi, Erstautorin, DAAD-Stipendiatin an der SNSB-BSPG und Hauptkuratorin für Denkmäler und Museen in Uganda.

„Die Wiederkäuergruppe war offenbar schon früh sehr artenreich, lange bevor Antilopen und Giraffen Afrika eroberten. Wir rechnen in Zukunft mit weiteren spannenden Fossilfunden, die unsere Ergebnisse zusätzlich untermauern“, ergänzt Gertrud Rößner, Kuratorin an der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie und Seniorautorin der Arbeit.

Hirschferkel (Tragulidae) gehören zur großen Gruppe der Wiederkäuer (Ruminantia). Sie sind Paarhufer und entfernt verwandt mit Hirschen oder Giraffen. Jedoch haben die Tiere nur eine Schulterhöhe von 20 bis 35 cm und tragen keinerlei Kopfschmuck. Eines der vielen besonderen Merkmale der Hirschferkel sind die verlängerten oberen Eckzähne der Männchen. Heute leben Hirschferkel nur noch in Reliktarealen in Zentralafrika und Südost-Asien. Die ältesten Nachweise fossiler Hirschferkel stammen aus Asien (Eozän, ca. 35 Mio. Jahre). Hyemoschus aquaticus heißt die einzige heute noch lebende afrikanische Art. Zur Zeit des Oligozän und Miozän (34-25 und 18-5 Mio. Jahre) gab es die Tiere auch in Europa.

Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns


 

Originalpublikation:

Sarah Musalizi, Johann Schnyder, Loic Segalen & Gertrud E. Rössner (2022): Early and Middle Miocene Tragulidae of the Napak Region (Uganda) including the Oldest African tragulids: Taxo-nomic revision, stratigraphical background, and biochronological framework, Historical Biology, https://doi.org/10.1080/08912963.2022.2144285