Der Vergleich der offiziellen Zahlen der EU zum Einsatz von Tieren im Rahmen wissenschaftlicher Studien von 2019 und 2022 zeigt für Deutschland bereits eine Reduktion von etwa 26%, während im EU-Durchschnitt eine Reduktion von etwa 7% zu verzeichnen ist. Die Gründe dafür sind weitgehend unbekannt und mitnichten ausschließlich auf den Einsatz von Alternativmethodik zurückzuführen, worauf z.B. eine Erhebung an der Universität Heidelberg hindeutet (https://www.biuz.de/index.php/biuz/article/view/8042/7060).
Obgleich eine auf die nationalen Bedürfnisse abgestimmte Reduktionsstrategie grundsätzlich zu begrüßen ist und im Rahmen der EU Richtlinie 2010/63 gefordert wird, kritisierten Vertreter vieler wissenschaftlich orientierter Organisationen (darunter auch der VBIO) mehrere Punkte des vom Bf3R vorgestellten Strategiepapiers. Problematisch erscheint dabei insbesondere die Übernahme etlicher (in großen Teilen unbelegter) Narrative von Tierschutzorganisationen, die sich u.a. auch in einer Stellungnahme der Bundestierschutzbeauftragten zur Reduktionsstrategie vom Februar 2025 wiederfinden (xy…). Dazu zählt ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber wissenschaftlichen. Organisationen und die unkritische Glorifizierung von Alternativmethodik hinsichtlich Verfügbarkeit und Translationsstärke.
Was können Alternativmethoden leisten?
Unter Berücksichtigung der Vielfalt lebenswissenschaftlicher Forschung stehen tatsächlich nur vereinzelt international anerkannte Alternativmethoden für Tiermodelle zur Verfügung. Und eine gar bessere Übertragbarkeit von Ergebnissen auf den Menschen basierend auf Alternativmethodik gegenüber Tierversuchen ist nicht belegt. Im Gegenteil sollte viel offener und kritischer diskutiert werden welchen Grad von Übertragbarkeit reduktionistisch ausgelegte, zumeist avaskuläre, systementkoppelte und geschlechtsneutrale Alternativmodelle in welchem Kontext gewährleisten können und wann sie damit einen adäquaten Ersatz für tierversuchsbasierte Forschung darstellen. Momentan besteht in der Sache eine erhebliche Diskrepanz zwischen pauschalisierenden Narrativen von Tierschutzorganisationen gegenüber faktenorientierten (komplexen) Argumentationslinien wissenschaftlich orientierter Organisationen.
Wissenschaftsfreiheit und Erkenntnisgewinn
Eine Reduktionsstrategie für Tierversuche sollte dort eine Grenze haben wo sie die Wissenschaftsfreiheit im Sinne einer freien Wahl der Methodik zum Erkenntnisgewinn bzw. wissenschaftlicher Beweisführung einschränkt. Dies gilt umso mehr, da bereits in jedem Antragsverfahren für Tierversuche Reduktionspflichten (insb. Nutzung alternativer Verfahren) gesetzlich fest integriert sind, sofern solche aus wissenschaftlicher (nicht aber dogmatischer) Sicht umsetzbar sind. Mit Blick auf den Erhalt einer erkenntnisgewinnorientierten und international kompetitiven Lebenswissenschaft sollte der Leitgedanke einer Tierversuchs-Reduktionsstrategie dabei die internationale Anerkennung alternativer Methodik durch die wissenschaftliche Gemeinschaft und nicht die Schaffung einer deutschen Insellösung unter weiterem Aufwuchs bürokratischer Hürden und Vorschriften sein.
Prof. Dr. Thomas Korff (Sprecher des AK Tierversuche im VBIO)