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Birdies über Par: Golf spielende Kakadus können werkzeuggebrauchenden Primaten das Wasser reichen

Kakadu im Goffin-Labor vor der „Golfschläger-Aufgabe“
Kakadu im Goffin-Labor vor der „Golfschläger-Aufgabe“, Foto: Thomas Suchanek, Vetmeduni

Der assoziative Werkzeuggebrauch spielt in der technologischen Entwicklung des Menschen eine große Rolle. Unter assoziativem Werkzeuggebrauch versteht man die Nutzung mehrerer Objekte zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels. Dieses Verhalten ist bei Tieren extrem selten, vor allem in zwei seiner fortgeschrittensten Formen: dem Gebrauch von zusammengesetzten Werkzeugen und dem Gebrauch von kombinierten Werkzeugen. Forschende der Veterinärmedizinischen Universität Wien zeigen in einem vom Golfspiel inspirierten Experiment, wie Kakadus den Gebrauch komplexer kombinierter Werkzeuge erfinden.

Unsere Vorfahren erfanden die ersten zusammengesetzten Werkzeuge, indem sie zwei Gegenstände fest miteinander verbanden, so dass ein neuer Gegenstand entstand. Verwandte Werkzeuge oder mögliche Vorläufer solcher zusammengesetzten Werkzeuge sind kombinierte Werkzeuge. Diese Werkzeuge sind nicht auf eine bestimmte Art und Weise zusammengesetzt, sondern in ihren Funktionen kombiniert. In ihrer effizientesten Form erfordern kombinierte Werkzeuge eine gewisse Stabilität zwischen den beiden Werkzeugen, was zum Beispiel den Bogen, die Steinschleuder oder die Speerschleuder hervorgebracht hat. Kombinierte Werkzeuge, bei denen sich beide Werkzeuge frei bewegen können, ermöglichten die Entwicklung neuer Arten von Freizeitaktivitäten. Sportarten wie Feldhockey, Cricket oder Golf sind gute Beispiele dafür.

Goffin-Kakadus: Kluge Werkzeugbauer
Antonio José Osuna Mascaró vom Messerli-Forschungsinstitut an der Vetmeduni untersucht die innovativen Problemlösungsfähigkeiten eines besonders werkzeugaffinen Vogels, des Goffin-Kakadus. Diese kleinen Papageien lernen den Umgang mit Werkzeugen durch Erkundung und Spiel, genau wie wir Menschen. Möglicherweise sogar mit noch größerem Verdienst, denn sie erfinden Werkzeuge, obwohl sie sie in freier Wildbahn nicht brauchen. Die Vögel haben bewiesen, dass sie sich im Umgang mit Werkzeugen auf dem Niveau von Primaten befinden.

„Ich wollte ein Experiment entwerfen, um zu testen, inwieweit diese erstaunlichen Kreaturen bei der Nutzung von Werkzeugen auf simultane Handlungen achten“, beschreibt Osuna Mascaró, wie ihm die Idee für die Studie auf dem Weg zum Goffin-Lab in Goldegg kam. „Ich konnte nicht einfach die Vorgehensweise anderer Werkzeugbenutzer wie Schimpansen beim Knacken von Nüssen mit Steinen nachahmen, da Kakadus keine Hände haben; ich musste also auf eine Aufgabe zurückgreifen, die Bewegungen ermöglicht, die für diese Tiere natürlicher sind. Die Antwort lag auf meinem Weg zum Labor: Ein Golfplatz! Eine golfähnliche Aufgabe würde es mir ermöglichen, die Fähigkeit der Tiere zu testen, kombinierte Werkzeugaktionen auszuführen“, so Antonio José Osuna Mascaró weiter.

Kakadus auf dem Golfplatz
Die neue Aufgabe bestand aus einer mit einem grünen Teppich ausgelegten Plattform, die sich in einem Kasten mit einer vergitterten Vorderseite befand. Jede Seite dieses „Grüns“ verfügte über ein rechteckiges „Loch“ mit einer Art Falltür darunter (siehe Abb. 1). Während des Experiments wurde eine dieser beiden Falltüren sichtbar mit einer Cashewnuss geködert. Im vorderseitigen Gitter des Kastens befand sich ein zentrales Loch, durch das eine schwere weiße Murmel in die Mitte des „Grüns“ gesteckt werden konnte. Die Murmel passte jedoch nicht durch den Rest des Gitters. Es konnte aber ein Stock durch das Gitter eingeführt und so ausgerichtet werden, der es ermöglichte, die Murmel in eines der Löcher auf der Oberseite der Falltür zu schieben, wodurch die Futterbelohnung freigegeben wurde, sofern das richtige Loch getroffen wurde.

Werkzeuginnovation auf höchstem Niveau
Golfähnliche Aufgabestellungen sind für jedes Tier, das Werkzeuge verwenden kann, eine enorme Herausforderung. Es erfordert nicht nur eine ausgeklügelte Form des assoziativen Werkzeuggebrauchs, sondern die räumlichen Beziehungen zwischen den Objekten müssen äußerst präzise sein. Zudem müssen die Tiere in der Lage sein, zielen zu können, während sie gleichzeitig auf die wechselnden räumlichen Beziehungen zwischen den beiden Werkzeugen, dem Ziel und ihrem eigenen Körper achten.

„Drei unserer Kakadus haben es geschafft, den Stock so einzusetzen, dass sie den Ball in das richtige Loch werfen und sich so eine Belohnung sichern konnten – eine echte Demonstration von Werkzeuginnovation auf sehr hohem Niveau“, kommentiert Osuna Mascaró. „Einer der erstaunlichsten Aspekte des Prozesses war, zu beobachten, wie diese Tiere jeweils ihre eigene individuelle Technik erfanden, um den Stock zu greifen und den Ball zu treffen, manchmal mit erstaunlicher Geschicklichkeit. Einer der Vögel bediente den Stock, indem er ihn zwischen Ober- und Unterkiefer hielt, ein anderer zwischen Schnabelspitze und Zunge und ein weiterer mit seiner Kralle, ähnlich wie ein Primat.“ (siehe Abb.2)

Alice Auersperg, Co-Autorin der Studie und Leiterin des Goffin Labs am Messerli Forschungsinstitut der Vetmeduni: „Ich glaube, dass die Untersuchung, welche räumlichen Beziehungen Tiere beachten und wie sie diese nutzen, um Werkzeuginnovationen zu ermöglichen, der Schlüssel zu einem besseren Einblick in die Evolution der Technologie sein wird. Die Verbesserung unseres Verständnisses des Beginns der Nutzung komplexer Werkzeuge ist daher derzeit ein Schwerpunkt unseres Forschungsteams.“

Werkzeuggebrauch bei Primaten erfordert jahrelange Erfahrung
Von zwei Primatenarten – Schimpansen und Kapuzineraffen – ist bekannt, dass sie kombinierte Werkzeuge benutzen, indem sie einen Stein wie einen Hammer gegen eine Nuss schlagen, die auf einem anderen als Amboss dienenden Stein liegt. Obwohl die Nutzung von kombinierten Werkzeugen bei Schimpansen jahrelange Erfahrung und Übung erfordert, scheinen einige Kakadus diese Aufgabe überraschend schnell zu erlernen. Figaro, das erwachsene Kakadu-Männchen, das die meisten seiner Artgenossen in diesem Experiment übertraf, konnte den Test gleich beim ersten Versuch lösen. Er „scheiterte“ nur ein einziges Mal, indem er den Kasten überlistete und einen Fehler im Mechanismus fand, der es ihm ermöglichte, die Aufgabe ohne den Einsatz von Werkzeugen zu lösen. Hole in one für Figaro!

Veterinärmedizinische Universität Wien


Originalpublikation:

Osuna Mascaró, A. J., Mundry, R., Tebbich S., Beck, S. R. und Auersperg, A. M. I.: „Innovative composite tool use by Goffin’s cockatoos (Cacatua goffiniana)“, Scientific Reports, https://www.nature.com/articles/s41598-022-05529-9