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Neuer Ansatz für präzisere Krebstherapien entdeckt

rote Blutkörperchen
Bild: Pixabay

Warum zeigen vielversprechende Therapieansätze bei Krebserkrankungen oft nur begrenzte Wirkung? Welche Mechanismen bewirken, dass sich bei der Behandlung der Krebserkrankung Akute Myeloische Leukämie (AML) Resistenzen gegenüber den eingesetzten Wirkstoffen wie den BET-Inhibitoren bilden und sich die Tumorzellen so der Behandlung entziehen? Das Protein p300 gibt hierauf Antworten – so die zentrale Erkenntnis von Wissenschaftler:innen um Dr. Daniel Sasca, Leiter einer DFG-geförderten Emmy-Noether-Arbeitsgruppe an der III. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz. Denn in der Entstehung einer akuten Resistenz gegen BET-Inhibition spielt das Protein p300 eine Schlüsselrolle. Es fördert die schnelle Anpassung der Zellen, indem es Transkriptionsmodule regelt, die für das Überleben der AML-Zellen entscheidend sind. Für weitere Forschungen können sie als neuen Ansatz dienen, um gezieltere Krebstherapien für Patient:innen zu entwickeln, die unter einer AML oder anderen Tumorerkrankungen leiden.

Bei der klinischen Behandlung von Tumorerkrankungen kann es zu Resistenzen gegenüber den eingesetzten Wirkstoffen kommen. Dies ist auch bei den sogenannten BET-Inhibitoren der Fall. Dabei handelt es sich um eine neue Form der epigenetischen Krebsbekämpfung. Ihr Ziel sind die BET-Proteine. Diese Familie von Proteinen beeinflusst die Genexpression und trägt zur Entstehung von Krebserkrankungen bei. Inhibitoren, die auf diese mit epigenetischen Modifikationen verbundenen Proteine abzielen, können überexprimierte Onkogene unterdrücken und somit als potenzielle Antitumormittel wirken.

Ein Beispiel für Krebserkrankungen, für die die BET-Inhibition als eine vielversprechende Therapie gilt, ist die Akute Myeloische Leukämie (AML). Doch ließen sich in klinischen Studien bislang leider nicht die erhofften Ergebnisse erzielen, da sich die Zellen schnell an diese Wirkstofftherapie anpassten und eine Resistenz entwickelten. Um das Potential dieses Therapieansatzes weiter zu ergründen, haben Wissenschaftler:innen um Dr. Daniel Sasca, Leiter der Personalisierten Hämatologie an der III. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz, zusammen mit anderen internationalen Forscherteams untersucht, welche epigenetischen Prozesse und Transkriptionsprogramme den Zellen helfen, sich der Behandlung zu entziehen und so die Resistenz auslösen.

Zunächst stellten die Forschenden fest, dass sich die Resistenz in den AML-Zellen überraschend schnell entwickelte, nämlich innerhalb von 24 Stunden nach Beginn der Behandlung. Ein noch bedeutenderer Forschungsfortschritt besteht darin, dass sie eine bisher unbekannte Form der Resistenzbildung in der AML identifiziert haben: die "Akute Adaptation". Dabei nimmt das Protein p300 eine entscheidende Schlüsselrolle ein, denn es kann blockierte Funktionen der BET-Proteine übernehmen. Dadurch hilft es den Zellen, sich der Behandlung zu entziehen und eine Resistenz gegen die Therapie aufzubauen. Daher untersuchte das Studienteam, ob sich die Wirkung der BET-Inhibitoren steigern ließe, wenn auch p300 gehemmt würde. Und tatsächlich: Eine Kombination von BET- und p300-Inhibition könnte die Resistenzentwicklung verhindern.

„Durch unsere Forschung haben wir neue Einsichten in die Mechanismen der Resistenzbildung gegen epigenetische Therapien wie die BET-Inhibition erzielen können. Indem wir die akute Adaptation erkannt haben und mehr darüber wissen, wie es therapeutisch möglich ist, Resistenzen zu überwinden, eröffnen sich neue und bessere Behandlungsperspektiven. Es sind nun vielversprechende Ansätze vorhanden, um Patient:innen, die unter einer Akuten Myeloische Leukämie oder an Tumorerkrankungen mit ähnlichen Mechanismen leiden, zukünftig gezielter, präziser und wirksamer behandeln zu können“, erläutert Dr. Daniel Sasca.

Zu den hier vorgestellten epigenetischen Forschungsergebnissen gelangte die Wissenschaftler:innen, indem sie die anfänglichen Mechanismen und Reaktionen der AML-Zellen im Labor untersuchten und diese Ergebnisse mit den Daten einer großen klinischen Studie kombinierten. Dafür arbeiteten sie mit anderen Arbeitsgruppen der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz zusammen sowie insbesondere auch mit Prof. Brian Huntly, Leiter des Departments für Hämatologie an der University of Cambridge (UK) und Professor für Leukämiebiologie am Stem Cell Institute Cambridge (UK), und seinen Teams. Zum Forschungserfolg beigetragen haben zudem Wissenschaftler:innen des Barts Cancer Institute (London/UK), des Peter MacCallum Cancer Centre und des Monash Health in Melbourne (AUS) und der Firma GSK (London/UK).

Universitätsmedizin Mainz


Originalpublikation:

Viral Shah et al.: Acute resistance to BET inhibitors remodels compensatory transcriptional programs via p300 coactivation. Blood 2024; blood.2022019306. doi: https://doi.org/10.1182/blood.2022019306