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Klima beeinflusst Wettrüsten zwischen Ameisen und ihren Sozialparasiten

Die „Sklavenhalter-Ameise“ Temnothorax americanus (links) und ihr Wirt Temnothorax longispinosus
Die „Sklavenhalter-Ameise“ Temnothorax americanus (links) und ihr Wirt Temnothorax longispinosus, Quelle: Foto/©: Romain Libbrecht

Der Konflikt zwischen Ameisenwirten und ihren Sozialparasiten wird maßgeblich vom Klima beeinflusst. Temperatur und Luftfeuchtigkeit bestimmen, wie sich die Ameisen verhalten, kommunizieren und sogar evolutionär verändern – wobei Wirte und Parasiten mit sehr unterschiedlichen genetischen Strategien reagieren. Zu diesem Ergebnis kommen zwei aktuelle Studien, in denen Forschende Verhaltensversuche mit modernen genomischen Analysen kombiniert haben. 

Der Konflikt zwischen Ameisenwirten und ihren Sozialparasiten wird maßgeblich vom Klima beeinflusst. Temperatur und Luftfeuchtigkeit bestimmen, wie sich die Ameisen verhalten, kommunizieren und sogar evolutionär verändern – wobei Wirte und Parasiten mit sehr unterschiedlichen genetischen Strategien reagieren. Zu diesem Ergebnis kommen zwei aktuelle Studien, in denen Forschende der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums Verhaltensversuche mit modernen genomischen Analysen kombiniert haben. „Die Unterschiede im Verhalten von Wirten und Parasiten lassen sich durch das Klima deutlich besser erklären als durch die Häufigkeit der Parasiten selbst“, sagt Prof. Dr. Susanne Foitzik, Seniorautorin beider Studien und Leiterin des Arbeitsbereichs Verhaltensökologie und Soziale Evolution am Institut für Organismische und Molekulare Evolution (iomE) der JGU.

In der ersten Studie, veröffentlicht im Journal of Evolutionary Biology, untersuchte das Team eine Parasitenart, die sogenannte „Sklavenhalter-Ameise“ Temnothorax americanus, und ihren Wirt Temnothorax longispinosus. Die Sozialparasiten dringen in die Nester der Wirte ein und stehlen deren Brut, um sie im Parasitenstaat später als Arbeiterinnen einzusetzen – eine außergewöhnliche Form dieser sozialen Ausbeutung. Die Forschenden untersuchten, wie sich das Verhalten und die chemische Kommunikation der Ameisen in unterschiedlichen Klimazonen unterscheiden. Der Vergleich von zehn natürlichen Populationen entlang eines tausend Kilometer langen Nord-Süd-Gradienten in den USA zeigte, dass das Klima den Konflikt stärker beeinflusst als die lokale Häufigkeit parasitischer Kolonien.

Unterschiede im Aggressionsverhalten

„Wirts- und Parasitenpopulationen unterscheiden sich in Aggression, Überfallaktivität und ihren chemischen Profilen – und diese Unterschiede folgen dem Temperatur- und Feuchtigkeitsgradienten“, erklärt Erstautor Dr. Erwann Collin, der kürzlich seine Promotion am iomE abgeschlossen hat. „In wärmeren und trockeneren Regionen zeigten Wirtsameisen eine geringere Aggressivität und transportierten ihre Brut häufiger weg, statt das Nest zu verteidigen. Sozialparasiten aus diesen Regionen waren stattdessen bei Überfällen aktiver und aggressiver.“ In kühleren, feuchteren Regionen im Norden zeigte sich das gegenteilige Muster: Wirte verteidigten ihre Nester energisch, während Parasiten vorsichtiger agierten.

Auch die chemische Kommunikation veränderte sich systematisch mit den lokalen Klimabedingungen. Dies betraf insbesondere die Zusammensetzung der kutikulären Kohlenwasserstoffe, also jener Wachsschicht auf der Ameisenoberfläche, die der Erkennung von Nestgenossen dient und vor Austrocknung schützt. Da alle Kolonien für ein ganzes Jahr unter identischen Laborbedingungen gehalten wurden, spiegeln diese Unterschiede nicht kurzfristige Umweltreaktionen, sondern langfristige evolutionäre Anpassungen wider.

Genetische Anpassungen an das Klima

Aufbauend auf diesen Ergebnissen untersuchte die zweite Studie, veröffentlicht in Molecular Biology and Evolution, die genetischen Grundlagen der klimabedingten Merkmalsunterschiede. Mithilfe modernster molekularer Methoden – darunter Ganzgenomsequenzierung und Transkriptomik, also die Analyse aktiver Gene – erforschte das Team, wie natürliche Selektion die Genome der Wirts- und Parasitenpopulationen entlang desselben Klimagradienten formt.

„Dabei haben wir ein ‚geografisches Mosaik der Koevolution‘ entdeckt: Parasitenpopulationen unterscheiden sich von Region zu Region stärker voneinander, als es bei den Wirten der Fall ist“, erklärt Erstautorin Dr. Maide Macit, die ebenfalls kürzlich an der JGU promoviert hat. „Trotz dieser Unterschiede zeigen die beiden verwandten Arten vergleichbare genetische Anpassungen an das Klima, insbesondere bei Genen für Stresstoleranz und Schutz vor Austrocknung.“ In ihrem Umgang mit dem Parasit-Wirts-Konflikt unterscheiden sich die Arten jedoch deutlich.

Bei den Wirtsameisen wirken evolutionäre Veränderungen vor allem auf Gene im Bereich der Signalübertragung und chemischen Wahrnehmung – Gene, die helfen, eindringende Parasiten zu erkennen und abzuwehren. Mehrere dieser Gene zeigen Anzeichen einer evolutionären Anpassung an den Sozialparasiten. Während diese Gene bei anderen Arten der Abwehr von Mikroben dienen, richten sie sich hier offensichtlich gegen einen völlig anderen Gegner – eine Ameise. Beim Parasiten hingegen zielt die Evolution auf regulatorische Gene, die steuern, wie Überfälle organisiert und ausgeführt werden.

Veränderte Abwehrstrategien

Genexpressionsanalysen – die zeigen, welche Gene zu einem Zeitpunkt aktiv sind – unterstreichen die unterschiedlichen Reaktionsweisen. „Bei den Wirten spiegelte die Genaktivität vor allem wider, wie häufig parasitische Kolonien in einer Region vorkamen; bei den Parasiten hingegen wurde sie deutlich stärker durch das lokale Klima beeinflusst“, erklärt Dr. Barbara Feldmeyer, Co-Seniorautorin der Studie und Forscherin am Senckenberg-Zentrum. „Außerdem fanden wir heraus, dass die Variation in den chemischen Profilen nicht nur mit genetischen Unterschieden in den Enzymen zusammenhängt, die diese Verbindungen herstellen, sondern auch mit Veränderungen in Geruchsrezeptor-Genen. Diese codieren Proteine, die es Ameisen ermöglichen, chemische Signale wahrzunehmen.”

Das zeigt, wie wichtig chemische Kommunikation und Erkennung in diesem Konflikt sind – und dass die Evolution immer wieder genau an diesen Merkmalen ansetzt, wenn sich Wirte und Parasiten gegenseitig anpassen.

Zusammen verdeutlichen die beiden Studien in bislang einmaliger Breite, wie stark Klima und biologische Konflikte die Evolution von Arten prägen – und das in sehr unterschiedlichen Lebensräumen. „Wirt-Parasit-Systeme sind klassische evolutionäre Wettrüsten“, sagt Susanne Foitzik. „Da beide Arten auf chemische Kommunikation angewiesen sind, bietet ihr Zusammenspiel einen idealen Rahmen für zukünftige Studien zur molekularen Koevolution.“

Johannes Gutenberg-Universität Mainz


Originalpublikationen:

E. Collin et al.: Climate and parasite pressure jointly shape traits mediating the coevolution between an ant social parasite and its host, Journal of Evolutionary Biology, 3. November 2025, DOI: 10.1093/jeb/voaf129, https://doi.org/10.1093/jeb/voaf129

M. N. Macit et al.: Genomic Signatures of Selection Across Climate Gradients and a Geographic Mosaic of Coevolution in an Ant Social Parasite–Host System, Molecular Biology and Evolution, 11. November 2025, DOI: 10.1093/molbev/msaf293, https://doi.org/10.1093/molbev/msaf293

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