Während bisher hauptsächlich erforscht wurde, welche Veränderungen im Gehirn nach einem statistischen Lernprozess auftreten, war wenig darüber bekannt, wo diese Prozesse verortet sind und wie das Gehirn die Grundeinheiten entschlüsselt, aus denen Sprache und visuelle Verarbeitung bestehen.
Um diesem Phänomen auf die Spur zu kommen, sammelte das Forschungsteam über vier Jahre hinweg Daten anhand intrakranieller Aufzeichnungen. Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer wurden mit akustischen und visuellen Reizen in Form von Silbenströmen und fraktalen Musterfolgen konfrontiert. Was sie nicht wussten: In diesen Datenflüssen verbargen sich ihnen bisher unbekannte Grundeinheiten von Worten und Bildpaaren.
Mithilfe einer neuartigen Technik, dem so genannten „Neural Frequency Tagging“, identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Bereiche im Gehirn, die auf diese verborgenen Grundeinheiten reagierten. Anschließend untersuchten sie, wie die verschiedenen Aspekte der Datenströme codiert wurden.
„Einige Bereiche des Gehirns codieren nur die statistischen Eigenschaften der Datenströme oder verfolgen die Position einzelner Elemente innerhalb der Grundeinheiten. Andere Bereiche des Gehirns, wie zum Beispiel der Hippocampus, codieren die Grundeinheiten im Gesamten“, erläutert Lucia Melloni vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik.
Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass mehrere Rechensysteme parallel existieren. Durch die Entschlüsselung dieses Rechengerüsts und der genauen Verortung der Lernprozesse im Gehirn konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine maßgebliche Lücke in der Forschung um das statistische Lernen schließen.
(Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik)
Originalpublikation:
Simon Henin, Nicholas B. Turk-Browne, Daniel Friedman, Anli Liu, Patricia Dugan, Adeen Flinker, Werner Doyle, Orrin Devinsky und Lucia Melloni (2021): Learning hierarchical sequence representations across human cortex and hippocampus. Science Advances 7(8), eabc4530. doi:10.1126/sciadv.abc4530