Die Korbacher Spalte in Nordhessen stellt eine einzigartige Fossillagerstätte aus der Zeit kurz vor dem größten Massenaussterben der Erdgeschichte am Ende des Perms vor ca. 252 Millionen Jahren dar, bei dem 70-80 % aller Arten ausgestorben sind. Die Fundstelle bietet einen seltenen Einblick in das Leben auf dem damaligen Festland in Äquatornähe (20° nördlicher Breite).
Korbach ist besonders bekannt für die vielen Funde des frühen Säugetiere-Vorfahren Procynosuchus, der wegen seines Aussehens auch scherzhaft ‚Korbacher Dackel‘ genannt wird. Die Wissenschaftler beschrieben nun jedoch eine bislang unbekannte Art eines archosauromorphen Reptils anhand eines einzelnen, gut erhaltenen Halswirbels aus der Korbacher Spalte. Das Fossil weist markante anatomische Merkmale auf, die die Forscher dazu veranlassten, es als neue Gattung und Art zu bezeichnen: Manistropheus kulicki.
Der Wirbel zeichnet sich durch ein verlängertes, rautenförmiges Zentrum und eine halbmondförmige Vertiefung seitlich am vorderen Rand des Wirbels aus, die der neuen Gattung auch ihren Namen gibt – vom altnordischen Máni, der Personifizierung des Mondes in der germanischen Mythologie, und dem griechischen stropheus, Wirbel. Insgesamt weist das Exemplar Ähnlichkeiten mit frühen Archosauromorphen auf, aber auch Besonderheiten, die bei anderen Reptilien dieser Zeit fehlen. Eine umfassende Untersuchung der Verwandtschaftsverhältnisse legt nahe, dass Manistropheus kulicki an der Basisdieser wichtigen Reptilienlinie steht – und damit zu ihren frühesten Vertretern zählt.
Die Studie setzte zudem eine Analyse der Formenvielfalt ein, um zu untersuchen, wie sich die Halswirbel im Lauf der Erdgeschichte verändert haben. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Archosauromorphe bereits vor dem Aussterben morphologisch vielfältig waren und dass sich ihre Halsanatomie in der frühen Trias rasch diversifizierte – schneller als andere Skelettteile, wie frühere Forschungen zeigen.
„Diese Entdeckung ist besonders bedeutsam, da permische Archosauromorphe extrem selten sind und bisher nur fünf fossile Arten aus dieser Zeit bekannt sind“, sagt Dr. Martín Ezcurra, Erstautor der Studie. „Dank Manistropheus kulicki erkennen wir, wie vielfältig diese Gruppe bereits vor dem Massenaussterben war.“
„Dieses Fossil belegt nicht nur eine neue Art, sondern stützt auch die Annahme, dass es bereits im Perm eine bislang verborgene Vielfalt an Archosauromorphen gab“, bemerkt Prof. Hans-Dieter Sues vom Smithsonian, Co-Autor der Studie und Leiter der Ausgrabungen an der Korbacher Spalte in den 1990er Jahren.
Laut Co-Autor Prof. Jörg Fröbisch, Evolutionsbiologe am Museum für Naturkunde Berlin, erweist sich die Fundstelle der Korbacher Spalte „als Schlüsselort, um das Leben an Land in den tropischen Regionen des Urkontinents Pangäa kurz vor dem größten Massenaussterben der Erdgeschichte besser zu verstehen.“ Der Fund macht deutlich, wie wichtig es ist, auch weniger bekannte Fossilfundstellen weiter zu erforschen – besonders jene, die Einblicke in vom Aussterben bedrohte Ökosysteme gewähren.
Museum für Naturkunde Berlin
Publikation:
Ezcurra, M.D., Sues, H.-D. & Fröbisch, J. (2025) A new late Permian archosauromorph reptile from Germany enhances our understanding of the early diversity of the clade, Journal of Systematic Palaeontology, 23:1, 2509639, DOI: 10.1080/14772019.2025.2509639, https://doi.org/10.1080/14772019.2025.2509639