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Neue Ansätze für die Entstehung der Parkinson-Erkrankung gefunden

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Mithilfe von Daten aus einer großen Medizin-Datenbank – der Parkinson’s Progression Markers Initiative (PPMI) – hat ein Forscherteam der Universität des Saarlandes einen wichtigen Schritt bei der Ursachenforschung der Parkinson-Erkrankung gemacht: Das Team um Prof. Rita Bernhardt fand bei Parkinson-Patienten eine Häufung von Veränderungen solcher Gene, die für die Produktion und Funktion so genannter Cytochrom P450-Enzyme zuständig sind. Da diese Enzyme wichtige Stoffwechselvorgänge im Körper steuern, könnten die identifizierten Gen-Modifikationen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der Parkinson-Erkrankung spielen.

Die Parkinson-Erkrankung ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Allein in Deutschland sind nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen etwa 250 000 bis 280 000 Menschen an Parkinson erkrankt, weltweit sind sieben bis zehn Millionen Menschen betroffen. Die Ursachen der Erkrankung sind noch weitgehend unklar, jedoch können die Symptome durch Arzneimittel und andere Maßnahme, wie Physio- und Ergotherapie, wirksam gelindert werden. Weltweit wird intensiv geforscht, um die Entstehung und das Voranschreiten der Erkrankung besser zu verstehen und daraus neue Behandlungsmethoden abzuleiten.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes um die Saarbrücker Biochemikerin Prof. Rita Bernhardt und den Homburger Neurologen Prof. Marcus Unger (jetzt Chefarzt an den SHG Kliniken Sonnenberg, Saarbrücken) sowie Gudrun Wagenpfeil (Medizinische Biometrie) ist es gelungen, mithilfe der frei zugänglichen Daten der Parkinson’s Progression Markers Initiative (PPMI) alle Mitglieder einer großen Genfamilie, der Cytochrome P450-Familie, bezüglich des Auftretens von Genvarianten bei Parkinson-Patienten und Kontrollpersonen zu analysieren (Eine Genfamilie ist eine Gruppe von sehr ähnlichen Genen, die dann auch sehr ähnliche Proteine codieren können). Die Familie der Cytochrome P450 spielt bei zahlreichen Stoffwechselwegen im menschlichen Organismus eine herausragende Rolle. So sind sie entscheidend am Abbau von Arzneimitteln und von toxischen Stoffen beteiligt, synthetisieren Verbindungen, die unsere Immunantwort regulieren und spielen eine wesentliche Rolle beim Metabolismus von Vitaminen (beispielsweise Vitamin D) sowie bei der Biosynthese von Steroidhormonen und im damit verbundenen Metabolismus von Cholesterol (auch als Cholesterin bezeichnet).

Mittels Analyse der PPMI-Biodaten (von 679 erkrankten und 193 gesunden Probanden) untersuchten die Forscherinnen und Forscher der Saar-Universität alle 57 Gene, die im Menschen für die Herstellung von Cytochrom P450-Enzymen zuständig sind. In diesen fanden sie insgesamt mehr als 40.000 Genvariationen. Die statistischen Analysen ergaben, dass in 26 der 57 Cytochrom P450-Gene sehr starke Unterschiede im Vorkommen einzelner Genvarianten bei Parkinson-Patienten und Kontrollpersonen auftraten. „Wir fanden eine fünf- bis zwölffache Überrepräsentation bestimmter Genvarianten in Parkinson-Patienten. Das weist darauf hin, dass diese Gen-Modifikationen mit großer Wahrscheinlichkeit eine Schlüsselrolle bei Entstehung und Verlauf der Parkinson-Erkrankung spielen“, sagt Prof. Rita Bernhardt, unter deren Leitung die Studie durchgeführt wurde.

Anschließend betrachteten die Autorinnen und Autoren die Stoffwechselvorgänge, welche die von diesen Genen abgeleiteten Cytochrom P450-Proteine steuern. Dabei konnten sie zeigen, dass im Wesentlichen drei große Stoffwechselwege durch die betroffenen Cytochrome P450 beeinflusst werden:
1. Besonders betroffen sind zehn Gene, die exogene – unter anderem toxische – Verbindungen abbauen. Träger der Genvarianten können daher möglicherweise toxische Stoffe, mit denen sie in Verbindung kommen, weniger gut abbauen als gesunde Kontrollpersonen. In der Folge könnte dies zu Schädigungen im Gehirn, insbesondere in den bei Parkinson betroffenen Regionen, führen.
2. Stark betroffen sind außerdem Gene, die in die Biosynthese so genannter Eicosanoide einbezogen sind. Diese wirken als Immunmodulatoren und regulieren damit Entzündungsprozesse im Körper. Ein Zusammenhang zwischen entzündlichen Prozessen und der Parkinson-Erkrankung wurde bereits sowohl in experimentellen als auch in klinischen Studien nachgewiesen.
3. Darüber hinaus fanden die Wissenschaftler heraus, dass der Abbau von Cholesterol, insbesondere im Gehirn, eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der Parkinson-Erkrankung spielen sollte.

Damit sei eine ganze Reihe neuer Marker für die Parkinson-Erkrankung identifiziert worden, sagt Rita Bernhardt. „Experimentell arbeitende Gruppen können nun auf der Basis dieser Ergebnisse untersuchen, welchen Einfluss die jeweiligen Änderungen in den Genen auf deren Funktion hat.“ Eine herausfordernde Aufgabe, da die Variationen fast alle in den regulatorischen Bereichen der Gene auftreten. „Sie entscheiden damit beispielsweise darüber, wieviel von den Cytochromen P450 hergestellt wird“, erläutert die Biochemikerin. Daraus ließen sich Einflüsse auf den Metabolismus der verschiedenen Substanzen ableiten sowie Ansatzpunkte für hoffentlich ursächliche Therapien erarbeiten. Die Daten zeigen auch, dass es zwischen den einzelnen Erkrankten große Unterschiede bezüglich dieser Veränderungen gibt. „Das bedeutet, dass es vermutlich verschiedene Untergruppen von Parkinson-Patienten mit unterschiedlichen Variationen in den P450-Genen gibt, so dass daraus auch individuelle Therapien abgeleitet werden müssen“, schlussfolgert Prof. Rita Bernhardt.
 

Universität des Saarlandes


Originalpublikation:

Philip Hartz et al.: A CYPome-wide study reveals new potential players in the pathogenesis of Parkinson’s disease,Front. Pharmacol., 19 January 2023, Volume 13 - 2022 | https://doi.org/10.3389/fphar.2022.1094265