Das Wissenschaftlerteam um die Biologin Susan Alberts von der Duke University, North Carolina, USA, hat Daten von neun menschlichen Populationen und 30 Populationen nicht-menschlicher Primaten miteinander verglichen. Claudia Fichtel und Peter Kappeler beteiligten sich an dieser Untersuchung mit Daten, die über 25 Jahre von zehn Sifaka-Gruppen, einer Lemurenart aus Madagaskar, erhoben wurden. An der dortigen DPZ-Feldstation, dem Kirindy Wald, an der Westküste der Insel führen die Forscher seit über 25 Jahren Verhaltensstudien an Lemuren durch.
Das Forschungsteam, bestehend aus Wissenschaftlern aus 14 verschiedenen Ländern, analysierte Muster von Geburten und Todesfällen und untersuchte die Beziehung zwischen Lebenserwartung und Lebensspannengleichheit.
Die Lebensspannengleichheit sagt uns, wie sehr das Sterbealter in einer Bevölkerung variiert. Wenn alle Menschen dazu neigen, etwa im gleichen Alter zu sterben – zum Beispiel, wenn fast alle ein langes Leben erwarten können und mit 70 oder 80 Jahren sterben – ist die Gleichheit der Lebensspanne sehr hoch. Wenn der Tod in jedem Alter eintreten kann – zum Beispiel aufgrund von Krankheiten – ist die Gleichheit der Lebensspanne sehr gering.
Beim Menschen steht die Gleichheit der Lebensspanne in engem Zusammenhang mit der Lebenserwartung. Menschen aus Populationen, die länger leben, neigen auch dazu, in einem ähnlich hohen Alter zu sterben, während bei Populationen mit kürzerer Lebenserwartung die Todesfälle tendenziell über eine größere Altersspanne verteilt sind.
Um zu verstehen, ob dieses Muster nur beim Menschen auftritt, wandten sich die Forschenden an unsere nächsten Verwandten: die nicht-menschlichen Primaten. Sie fanden heraus, dass die enge Beziehung zwischen Lebenserwartung und Lebensspannengleichheit sowohl bei Affen als auch bei Menschen weit verbreitet ist. Aber warum?
Bei den meisten Säugetieren ist das Sterberisiko in sehr jungen Jahren hoch, im Erwachsenenalter relativ niedrig und steigt dann mit dem Beginn des Alterns wieder an. Könnte die höhere Lebenserwartung darauf zurückzuführen sein, dass die Individuen langsamer altern und länger leben?
Die Primatenpopulationen zeigen uns, dass die Antwort wahrscheinlich nein lautet. Stattdessen waren die Hauptquellen für die Variation des durchschnittlichen Sterbealters in den verschiedenen Primatenpopulationen der Tod von Säuglingen, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Mit anderen Worten: Die Lebenserwartung und die Gleichheit der Lebensspanne werden nicht von der Rate bestimmt, mit der Individuen altern und alt werden, sondern davon, wie viele Kinder und junge Erwachsene aus Gründen sterben, die nichts mit dem Alter zu tun haben.
„In unserem Forschungsgebiet in Madagaskar haben weibliche Sifakas eine durchschnittliche Lebenserwartung von etwa 5 Jahren, obwohl einige Weibchen bis zu 23 Jahre alt werden können“, sagt Claudia Fichtel. „Da die Sterblichkeit von Jungtieren sehr hoch ist – ungefähr 65 Prozent der Jungtiere sterben innerhalb des ersten Lebensjahres – schaffen es nur wenige Weibchen ein so hohes Lebensalter zu erreichen. Die meisten Jungtiere werden vermutlich von der Fossa, dem größten in Madagaskar lebenden Raubtier, gefressen.“
Susan Alberts, Professorin für Biologie und evolutionäre Anthropologie an der Duke University und Seniorautorin der Studie, ergänzt: "Insgesamt werden Populationen vor allem deshalb immer älter, weil immer mehr Individuen die frühen Lebensabschnitte überstehen. So war, zum Beispiel, für Menschen früher das frühe Leben so riskant, während wir heute die meisten frühen Todesfälle verhindern, was die Unterschiede in der Lebenserwartung erklären kann.“
DPZ
Originalpublikation:
Colchero F, Aburto JM, Archie EA et al. (2021): The long lives of primates and the 'invariant rate of ageing' hypothesis. Nature Communications 12: 3666.