Die Arbeitsgruppen entwickelten synthetische Säugetiergewebe, die mithilfe sogenannter optogenetischer Verfahren gesteuert werden können. Dies bedeutet, dass ins Genom der Zellen bestimmte Schalter eingebaut wurden, die gezielt mit Licht aktiviert oder deaktiviert werden können. „Wir stellen künstliche zwei- und dreidimensionale Gewebe her, deren Zellsignale und -verhalten wir optisch steuern können. Dies sind wichtige Eigenschaften beispielsweise für Zellmodelle“, betont Prof. Dr. Matias Zurbriggen, Leiter des Instituts für Synthetische Biologie der HHU, der neben Jun.-Prof. Dr. Hannes Beyer die Arbeiten in Düsseldorf leitete.
Die Studien wurden zusammen mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Mustafa Hani Khammash von der ETH Zürich sowie Partnern an den Universitäten in Edinburgh und Freiburg veröffentlicht. In der ersten Arbeit stellen die Autoren „µPatternScope“ vor. Dies ist eine hochentwickelte optogenetische Plattform, mit der die Forschenden komplexe Zellmuster formen können, indem sie mit hoher Präzision die sogenannte Apoptose – den programmierten Zelltod – auslösen.
Es kommt eine sogenannte cybergenerische Computersteuerung zum Einsatz. Sie erlaubt es, die Probe zu beobachten und gleichzeitig mittels Lichtsignalen zu aktivieren, um die gewünschten Effekte zu erzielen. Um ihre Technik zu demonstrieren, habe die Forschenden auf zellulärer Basis ein an das Spiel „Tic Tac Toe“ angelehntes Raster erstellt und die Positionen in dem Raster durch Lichteinstrahlung interaktiv und dynamisch verändert.
Beyer: „Unser Ansatz kann potenziell die Anwendungen im Tissue Engineering revolutionieren, indem wir mit ihm präzise strukturierte Gewebeformen aufbauen können. Er ermöglicht uns, natürliche Prozesse wie die konkrete Entstehung von Geweben – die „Morphogenese“ – nachzuahmen.“
Lichtempfindliche Genschalter, mit denen das Zellverhalten in dreidimensionalen Gewebekulturen gesteuert werden, stehen im Fokus der zweiten Publikation in Nature Communications. Die Autoren können kontrolliert die sogenannte Nekroptose – den Zelltod inklusive der Selbstverdauung der Zellen – auslösen. Außerdem demonstrieren die Autoren die Steuerung des Informationsaustausches zwischen Geweben, indem ein bestimmter, synthetisch eingebrachter Signalübertragungsweg (WNT3A) durch blaue und rote Lichtmuster ausgelöst wird.
Prof. Khammash aus Zürich: „Diese Entwicklungen sind besonders vielversprechend, um dreidimensionale Gewebsmodelle weiterzuentwickeln. Wir können so die Verhaltensweisen von Zellen in komplexen Strukturen räumlich und zeitlich anpassen und potenziell programmierbare Organ- und Gewebemodelle schaffen.“
„Beide Arbeiten bieten einen neuartigen experimentellen Rahmen, in dem die Kommunikation zwischen Zellen und die Bildung von Geweben in einer kontrollierten Umgebung untersucht werden kann. Sie zeigen damit auch neue Wege auf, wie die lichtbasierte genetische Kontrolle in der regenerativen Medizin und der Krankheitsmodellierung eingesetzt werden kann“, resümiert Prof. Zurbriggen.
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Originalpublikationen:
Kumar, S., Beyer, H.M., Chen, M. et al. Image-guided optogenetic spatiotemporal tissue patterning using μPatternScope. Nat Commun15, 10469 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-54351-6
Beyer, H.M., Kumar, S., Nieke, M. et al. Genetically-stable engineered optogenetic gene switches modulate spatial cell morphogenesis in two- and three-dimensional tissue cultures. Nat Commun15, 10470 (2024). doi.org/10.1038/s41467-024-54350-7