Die nationale Dekade gegen Postinfektiöse Erkrankungen sei eine besondere Chance, sagte Jörg Heydecke von der ME/CFS Research Foundation. Jahrzehntelange Stigmatisierung von postakuten Infektionssyndromen (PAIS) und eine Unterfinanzierung seien Gründe dafür, dass diese Erkrankungen bislang „unterforscht und unzureichend verstanden sind". Damit die nun ausgerufene Dekade zum Erfolg werde, nannte Heydecker vier Aspekte, die bei der Verteilung der Gelder berücksichtigt werden sollten: Um von Anfang an lösungsorientiert zu handeln, müssten erstens Biomarker und Therapieforschung in den Fokus gerückt werden. Auch sei, zweitens, die Auswahl von kompetenten Forscherinnen und Forschern sowie von Zentren mit Erfahrungen in relevanten Bereichen essenziell. Die Bundesregierung sollte drittens Anreize für eine Beteiligung der Pharmaindustrie schaffen sowie „Unterstützungsmaßnahmen für Start-ups bei der Therapie- und Diagnostikforschung ermöglichen". Viertens müsse eine umfassende Beteiligung von Patientenvertretern gewährleistet werden.
Carmen Scheibenbogen vom Institut für Medizinische Immunologie an der Charité betonte ebenfalls, dass die nationale Dekade eine „wichtige und dringende Initiative für Betroffene, die Gesellschaft und die Volkswirtschaft" sei. Für Deutschland sei es eine „historische Chance", eine international führende Rolle „mit großem medizinischem und wirtschaftlichem Potenzial" einzunehmen. Mindestens eineinhalb Millionen Menschen sind laut Scheibenbogen derzeit in Deutschland von PAIS betroffen. Um diese Erkrankungen besser zu verstehen und behandeln zu können, seien verschiedene Therapieansätze nötig, da es sich um heterogene Erkrankungen handele, bei denen das Prinzip „one size fits it all" nicht gelte. In der Dekade sollte auf translationale biomedizinische Forschung gesetzt werden. Außerdem brauche es klare Kriterien für die Forschungsförderung.
Für Betroffene würden die Symptome von postinfektiösen Erkrankungen wie Fatigue oder kognitiven Einschränkungen oftmals sehr ähnlich aussehen, sagte Joachim L. Schultze, tätig im Bereich Systemmedizin an der Venusberg-Campus Universität Bonn. Allerdings könnten die „zugrundeliegenden molekularen Prozesse" sehr unterschiedlich sein und müssten daher genauer untersucht werden. Schultze betonte: „Nur wenn wir die krankheitsauslösenden Mechanismen verstehen können, können wir auch rationale Therapieansätze entwickeln." Genau wie Scheibenbogen betonte auch Schultze, dass es nicht die eine Lösung geben könne. Daher müsse sich die Forschung auf die sogenannten Biomarker konzentrieren.
Bettina Hohberger, die im Bereich Kopfkliniken an der Augenklinik Erlangen tätig ist, merkte an, dass bereits während der Pandemie bestimmte Biomarker identifiziert wurden. Auch sie betonte, dass Post-Covid-Erkrankungen keine Einheitsgruppe seien, sondern dass es für verschiedene Untergruppen verschiedene Biomarker gebe. Der nächste Schritt besteht für Hohberger nun darin, die bereits gefundenen Biomarker mit Therapiekonzepten zu kombinieren. Dafür sei finanzielle Unterstützung grundlegend, da selbst kleine Patientenstudien kaum aus Eigenmitteln finanziert werden könnten.
Der Sportmediziner Jürgen Michael Steinacker sagte, dass infektiöse Erkrankungen Karrieren massiv verändern können. Er berichtete den Ausschussmitgliedern von Sportlern, die aufgrund von einer solchen Erkrankung ihren Alltag kaum noch bewältigen können. Es sei wichtig, die „personalized medicine" zu fördern und den Fokus darauf zu legen, zu verstehen, warum manche Menschen erkranken und andere nicht.
Ausschus für Forschung, Technologie, Raumfahrt und Technikfolgenabschätzung, hib




