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Kleine Änderung, große Wirkung

Kalkige Nannofossilien aus dem SW Pazifischen Ozean
Kalkige Nannofossilien aus dem SW Pazifischen Ozean belegen, dass markante Änderungen vor dem PETM passiert sind. Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen; H. Jones

Der Klimawandel stellt eine große Bedrohung für Lebewesen wie Plankton dar, die die Grundlage der marinen Nahrungskette bilden. Forschende haben jetzt eine bedeutende ökologische Veränderung bereits vor der größten klimatischen Erwärmung der letzten 90 Millionen Jahrebelegen können. Anhand von Fossilienfunden wurde nachgewiesen, dass bereits relativ geringe Klimaveränderungen Auswirkungen auf Planktongemeinschaften haben. 

Ein großer Teil der Kohlenstoffdioxid-Emissionen, die durch menschliche Aktivitäten in die Atmosphäre gelangen, wird in den oberen Schichten des Ozeans absorbiert. Dieser wird dadurch zunehmend saurer. Kleinstorganismen wie Plankton, welches die Basis der marinen Nahrungskette bildet und an der Meeresoberfläche lebt, ist besonders gefährdet. Jedes Lebewesen im Ozean hinterlässt Spuren: sie sinken auf den Ozeanboden und lagern sich dort Schicht für Schicht ab. So werden sie zu Zeugen vergangener Umweltbedingungen. „An Meeresablagerungen vergangener Zeiten können wir sehen, wie dieses Plankton während urzeitlicher Klimaveränderungen reagierte, die ebenfalls mit einem Anstieg der Kohlendioxid-Emissionen einhergingen“, heißt es in der jetzt erschienenen Studie. „Ein Fallbeispiel für den Klimawandel in naher Zukunft, wenn die Kohlendioxid-Emissionen weiter steigen, das so genannte Worst-Case-Szenario, ist das Paläozän-Eozän-Wärmemaximum (PETM) vor rund 56 Millionen Jahren. Hunderte Tiefseearchive, in denen das PETM enthalten ist, zeigen aufgrund steigender Temperaturen an der Meeresoberfläche eine globale Veränderung in den Planktongemeinschaften und eine Versauerung der Ozeane.“

Phytoplankton-Gemeinschaften der höheren Breiten reagieren empfindlich auf Klimawandel

Ein Forscher:innenteam vom MARUM, Universität Bremen hat nun untersucht, wie Phytoplankton-Gemeinschaften der höheren Breiten auf die PETM-Erwärmung reagiert haben. Lebensräumen in hohen Breitengraden ist für die Modellierung vergangener Klimazustände besonders wichtig, weil sie historisch wenig erkundet sind und wahrscheinlich besonders empfindlich auf den vom Menschen verursachten Klimawandel reagieren. Der Schwerpunkt der Studie lag auf Tiefsee-Sedimentkernen vom Campbell-Plateau im Südpolarmeer, die während der Expedition 378 des International Ocean Discovery Program (IODP) gewonnen wurden. 

In ihrer Studie, die auf fossilen Überresten von kalkhaltigem Nannoplankton basiert – mikroskopisch kleine, einzellige Algen, die im Oberflächenozean Photosynthese betreiben und Schalen aus Kalziumkarbonat produzieren – hat das Team rekonstruiert, wie sich die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaft verändert hat, sowohl vor als auch während des PETM. „Bestimmte Arten von Nannoplankton bevorzugen wärmere, nährstoffärmere Gewässer, während andere nur in kälteren, nährstoffreicheren Gewässern überleben können. Daher haben Erwärmungsereignisse wie das PETM einen großen Einfluss darauf, welche Arten sich entfalten und welche nicht. Dies können wir am Vorkommen von Nannofossilien beobachten, indem wir zählen, wie viele Exemplare jeder Art auftreten und wie sich dies im Laufe der Zeit verändern“, erklärt Erstautorin Dr. Heather L. Jones.

Selbst kleine Veränderungen können dramatische Auswirkungen auf marine Ökosysteme haben

Etwas überraschend zeigen die Ergebnisse der Studie, dass das PETM die Nannoplankton-Gemeinschaften offenbar nicht so stark beeinflusst hat wie erwartet. Sie führen dies auf ein vorangegangenes, kleineres Erwärmungsereignis zurück, das ihrer Ansicht nach die Nannoplankton-Gemeinschaften bereits etwa 200.000 Jahre vor dem PETM destabilisiert hatte. „Die meisten Studien konzentrieren sich nur auf das PETM-Ereignis selbst und nicht auf die längere Zeitspanne davor“, erklärt Jones. „Die Untersuchung dieser Hintergrundintervalle ist jedoch absolut entscheidend, um das Ausmaß zu bestimmen, in dem Erwärmungsereignisse tatsächlich zu Ökosystemveränderungen führten. Im Fall unserer Studie scheinen die Umweltbedingungen vor dem Ereignis nicht vollständig stabil gewesen zu sein, was einen direkten Einfluss darauf hatte, wie das Nannoplankton auf das PETM reagierte. Die Studie unterstreicht auch, dass selbst relativ kleine Umweltveränderungen dramatische Auswirkungen auf die Meeresökosysteme an bestimmten Standorten haben können, was wichtige Auswirkungen auf die aktuellen, stark regionalen Auswirkungen des modernen Klimawandels hat.“

Archiv von vorhandenen Tiefseesedimentkernen für zukünftige Studien von Nutzen

Die aktuelle Studie ist die erste, die das Vor-PETM Ereignis im Detail dokumentiert, dessen globale Bedeutung ist bisher unsicher. Die neuen Ergebnisse bereiten somit die Bühne für künftige Untersuchungen an den Archiven der existierenden Tiefseebohrkerne – wie die des Bremer Kernlagers am MARUM – um das neu beschriebene Ereignis in verschiedenen Ozeanbecken zu identifizieren.

Die Erstautorin, Dr. Heather L. Jones hat sich auf die kalkigen Nannofossilien, die das Team zu den Ergebnissen der Studie geführt hat, spezialisiert. Sie arbeitet daran im Rahmen des Exzellenzclusters „Der Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“, der am MARUM angesiedelt ist. Ein Forschungsschwerpunkt des Clusters ist, wie komplexe Ökosysteme auf veränderte Umweltbedingungen reagieren.

MARUM


Originalpublikation:

Jones, H.L., Niederbockstruck, B., Westerhold, T. Röhl, U.; Palaeoecological change preceded the Palaeocene-Eocene Thermal Maximum by 200 kyr in the high latitude south-west Pacific Ocean. Commun Earth Environ 6, 746 (2025). https://doi.org/10.1038/s43247-025-02749-5

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