VBIO

Gemeinsam für die Biowissenschaften

Werden Sie Mitglied im VBIO und machen Sie mit!

Winzige Archive: Stoffwechsel-Moleküle speichern Urzeitwelt

Hier ein Knochenfragment einer Antilope aus dem Höhlenfundort Makapansgat in Südafrika
In fossilen Hartgeweben gespeicherte Stoffwechselprodukte erlauben die Rekonstruktion urzeitlicher Umweltbedingungen. Hier ein Knochenfragment einer Antilope aus dem Höhlenfundort Makapansgat in Südafrika. Copyright: Timothy Bromage, Bin Hu

Ein internationales Team mit Senckenberg-Forschern hat eine neue Methode entwickelt, um zu untersuchen, wie der Lebensraum urzeitlicher Tiere und Menschen aussah. Ihre jetzt veröffentlichte Studie zeigt, dass fossile Tierknochen und -zähne weit mehr Informationen bewahren als bislang angenommen. In den Hartgeweben bleiben kleinste Spuren von Stoffwechselprodukten über Jahrmillionen erhalten. Die Analyse dieser Moleküle – sogenannte Metaboliten – ermöglicht Rückschlüsse auf Ernährung, Klima und Landschaften an bedeutenden Fundstellen der frühen Menschheitsgeschichte in Afrika. 

Wie sah die Umwelt früher Menschen vor rund drei bis einer Million Jahren aus – und wie lebten damalige Tiere? Dieser Frage ist ein internationales Forschungsteam, darunter Prof. Dr. Ottmar Kullmer vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, jetzt mit der innovativen neuen Methode des „Metabolomic Profiling“ auf den Grund gegangen. Das Team untersuchte Fossilien von Tieren aus verschiedenen Fundorten und Regionen Afrikas, die für die Erforschung der Menschheitsgeschichte von großer Bedeutung sind – darunter Proben aus der Olduvai-Schlucht in Tansania, aus den Chiwondo Beds in Malawi und aus dem Höhlenfundort Makapansgat in Südafrika. Im Fokus stand die Frage, ob in den Zähnen und Knochen von Nagetieren, Schweinen, Elefanten und Antilopen auch nach Millionen von Jahren noch molekulare Stoffwechselprodukte nachweisbar sind. Das sind kleine chemische Verbindungen, die im Körper entstehen oder über Nahrung und Umwelt aufgenommen werden. Aus solchen Metaboliten lässt sich herauslesen, wie ein Lebewesen mit seiner Umgebung interagiert hat.

„Wir konnten zeigen, dass bestimmte Moleküle während der Bildung von Knochen und Zähnen eingeschlossen werden und dort wie in einem winzigen Archiv konserviert sind“, berichtet Prof. Timothy Bromage, Hauptautor der Studie. „Diese Spuren von Stoffwechselprodukten stammen sowohl aus den Körpern der Tiere selbst als auch aus ihrer Umwelt und liefern damit wichtige Hinweise auf biologische Funktionen und Lebensräume.“

Die Analyse der Moleküle öffnet ein Fenster in die Vergangenheit und erlaubt es, frühere Umweltbedingungen genauer einzugrenzen. Die Daten aus der Olduvai-Schlucht deuten auf ein wärmeres Klima als heute und feuchte Landschaften mit Wäldern, Grasflächen und Süßwasser hin – sowohl für die älteren Schichten als auch für jüngere Abschnitte der Fundstelle. Auch die Standorte in Malawi und Südafrika lassen auf feuchtere und teilweise wärmere Bedingungen im Vergleich zu heute schließen. Diese Ergebnisse stützen frühere Umweltrekonstruktionen und liefern zusätzliche Details, etwa zu Bodenbeschaffenheit, Pflanzenarten und Niederschlagsmengen.

Neben Umweltinformationen fanden die Forschenden auch Hinweise auf den Gesundheitszustand einzelner Tiere. Bestimmte Moleküle lassen sich mit Entzündungen oder Infektionen in Verbindung bringen. In einigen Fossilien fanden sich zudem Spuren eines Erregers, der heute die afrikanische Schlafkrankheit verursacht und von der Tsetsefliege übertragen wird. „Solche Funde zeigen, dass wir mit dieser Methode nicht nur Landschaften, sondern auch Krankheitsrisiken vergangener Ökosysteme erfassen können“, erklärt Prof. Dr. Ottmar Kullmer, Ko-Autor der Studie. „Das erweitert unser Bild von den Lebensbedingungen früher Tiere und indirekt auch früher Menschen.“

Besonders sorgfältig prüfte das Team, ob die gefundenen Moleküle tatsächlich aus dem Inneren der Fossilien stammen oder später aus dem umgebenden Boden eingedrungen sein könnten. Dazu wurden umliegende Böden sowie heutige Vergleichsproben analysiert. Auch der Einfluss von Verdauungsprozessen – etwa bei Knochen aus Eulengewöllen – wurde überprüft. Die Ergebnisse zeigen, dass die entscheidenden Moleküle überwiegend aus dem ursprünglichen Gewebe der Tiere stammen.

„Unsere Studie zeigt, dass ‚Metabolomic Profiling‘ erfolgreich und systematisch bei sehr alten Fossilien angewendet werden kann. Damit eröffnet sich ein ganz neuer Zugang zur Rekonstruktion früher Lebensräume, der bisherige Methoden wie Isotopenanalysen oder Untersuchungen von Tiergemeinschaften entscheidend ergänzt“, so Kullmer und weiter: „Die Methode erlaubt uns, die Beziehungen zwischen Tieren und ihrer Umwelt im Laufe der Evolutionsgeschichte immer besser zu verstehen und unser Bild von den ökologischen Bedingungen der Vergangenheit weiter zu vervollständigen.“

„Zukünftige Forschung sollte auch die metabolischen Profile heutiger Pflanzen, Böden und Mikroorganismen weiter ausbauen,“ ergänzt Bromage und schließt: „Je besser wir heutige Ökosysteme auf molekularer Ebene kennen, desto präziser lassen sich vergangene Welten rekonstruieren.“

Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung


Originalpublikation:

Bromage, T.G., Denys, C., De Jesus, C.L. et al. Palaeometabolomes yield biological and ecological profiles at early human sites. Nature (2025). https://doi.org/10.1038/s41586-025-09843-w

weitere VBIO News
Fruchtfliege

Wie „Hangover“ der Fruchtfliege beim Alkoholstress hilft

Weiterlesen
Fluss im Schutzgebiet

Flüsse: zu wenig Schutz im Schutzgebiet

Weiterlesen
Die Mikrobe des Jahres 2026, Penicillium, ein Pinselschimmel, bildet charakteristische Zellketten mit Sporen am Ende. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme

Mikrobe des Jahres 2026: Penicillium – Pinselschimmel rettet Leben

Weiterlesen