VBIO

Insektenschutzgesetz nach langen Verhandlungen beschlossen

Bundestag und Bundesrat haben ein umfassendes Maßnahmenpaket für den Insektenschutz beschlossen. Die Entscheidung über das seit langem geplante Insektenschutzgesetz hat sich lange verzögert. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit hat am 09.06.2021 zwar ausführlich über den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (19/28182) diskutiert, aber noch keine Beschlussempfehlung zur auch als Insektenschutzgesetz bezeichneten Vorlage abgegeben. Damit wurde die Vorlage auch, anders als ursprünglich vorgesehen, noch nicht am Freitag den 11.06.2021 im Bundestagsplenum behandelt.

Ein Vertreter der CDU/CSU-Fraktion äußerte die Hoffnung, dass das Insektenschutzgesetz trotzdem noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werde. Dabei sei es wichtig, dass die Landwirte einen finanziellen Ausgleich für die durch den Insektenschutz bewirkten wirtschaftlichen Erschwernisse bekämen und dass einzelne Länderregelungen Bestand hätten.

Die Große Koalition quäle sich beim Insektenschutz über die Ziellinie, sagte ein Vertreter der AfD-Fraktion. Er bezeichnete es als nicht nachvollziehbar, dass der Gesetzentwurf zum dritten Mal von der Tagesordnung des Plenums genommen werde. Der AfD-Abgeordnete kündigte an, seine Fraktion werde den Entwurf ablehnen, und begründete dies unter anderem damit, dass eine Folgenabschätzung für die Landwirtschaft fehle.

Der Gesetzentwurf benenne keine Ziele und lasse offen, ob es um den Schutz der Insektenbiomasse oder der Insektenbiodiversität gehe, bemängelte ein Vertreter der FDP-Fraktion. Auch lasse er außer Acht, dass es neben der Landwirtschaft noch weitere Ursachen für das Insektensterben gebe.

Als "Mogelpackung" bezeichnete eine Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Gesetzentwurf. Von den guten Ansätzen des 2019 vom Bundeskabinett beschlossenen Aktionsprogramms Insektenschutz sei nichts übriggeblieben. Außerdem sei es inakzeptabel, dass die Entscheidung über den Gesetzentwurf erneut verschoben werde.

Von einem "gut ausgewogenen Paket" sprach hingegen ein Vertreter der SPD-Fraktion, auch wenn er einräumte, dass seine Fraktion sich die eine oder andere Regelung hätte vorstellen können, die noch mehr für den Insektenschutz getan hätte.

Die Redewendung "Was lange währt, wird endlich gut" stimme in diesem Fall nicht, sagte ein Vertreter der Fraktion Die Linke. Der SPD-Fraktion sei zwar dafür zu danken, dass wenigstens einige gute Punkte - etwa der Kampf gegen Lichtverschmutzung - im Gesetzentwurf enthalten seien. Insgesamt sei aber eine große Chance vertan worden.

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, hib


Umweltausschuss stimmt Insektenschutzgesetz zu

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit hat grünes Licht für den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (19/28182) gegeben. In einer Sondersitzung am Freitag stimmten die Fraktionen von CDU/CSU und SPD für die auch als Insektenschutzgesetz bezeichnete Vorlage, während die FDP-Fraktion und die Linksfraktion dagegen votierten und sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielt. Die AfD-Fraktion nahm an der Sondersitzung nicht teil.

Inhaltlich über den Gesetzentwurf diskutiert hatte der Ausschuss bereits am Mittwoch. Die Abstimmung hatte er aber auf Freitag verschoben, um das Treffen der Agrarministerkonferenz abzuwarten. Das Bundestagsplenum hat dem Gesetzentwurf am 24. Juni zugestimmt.

Chancenlos blieben drei Vorstöße von Oppositionsfraktionen, die sich mit dem Thema Insektenschutz befassen. Ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/29752) wurde außer von den Antragstellern nur von der Linksfraktion unterstützt, während ein Antrag der FDP-Fraktion (19/26779) von allen anderen Fraktionen abgelehnt wurde. Ein Antrag der AfD-Fraktion (19/28457) wurde bei Abwesenheit der Antragsteller einstimmig abgelehnt.

Letzte Aktualisierung:

Bundestag und Bundesrat haben ein umfassendes Maßnahmenpaket für den Insektenschutz beschlossen: Das Insektenschutzgesetz des Bundesumweltministeriums sieht unter anderem den Schutz von für Insekten wichtigen Biotopen wie Streuobstwiesen vor sowie ein Vorgehen zur Verringerung der insektenschädlichen Lichtverschmutzung. Die geänderte Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung unter Federführung des Bundeslandwirtschaftsministeriums sieht eine deutliche Reduktion des Pestizid-Einsatzes sowie den Glyphosat-Ausstieg bis Ende 2023 vor. Damit können wichtige Verbesserungen für den Insektenschutz in Kraft treten. Mit der ebenfalls beschlossenen Änderung des Ausgleichsleistungsgesetzes werden außerdem weitere 8000 Hektar wertvoller Naturschutzflächen als Nationales Naturerbe gesichert.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Das Insektensterben ist dramatisch und braucht entschlossene Antworten. Der Schutz der Artenvielfalt ist eine ebenso wichtige Zukunftsaufgabe wie der Klimaschutz. Wir Menschen sind auf intakte Ökosysteme angewiesen. Sind die Ökosysteme gestört, leiden am Ende auch die Menschen. Die Insekten stehen hier für das große Ganze: Fehlen sie, gerät das Ökosystem aus dem Takt. Insek-ten sind nicht nur Nahrungsgrundlage für Vögel, sie sind auch die Müllabfuhr und der Gesundheitsdienst unserer Umwelt. Deshalb ist es ein großer Erfolg, dass Insekten jetzt besser geschützt werden. Damit bringen wir ein zentrales naturschutzpolitisches Vorhaben dieser Legislaturperiode zu einem erfolgreichen Abschluss.“

Anzahl und Vielfalt der Insekten gehen massiv zurück. Dadurch drohen die wichtigen Leistungen von Insekten für intakte Ökosysteme verloren zu gehen. Deshalb setzt das Insektenschutzgesetz bei den vielfältigen Ursachen des Insektenschwundes an: Erstmals gibt es Maßnahmen zur Verringerung der Lichtverschmutzung, temporäre Naturschutzmaßnahmen für ‚Natur auf Zeit werden gestärkt, ebenso wie die Berücksichtigung des Insektenschutzes bei der Landschaftsplanung. Mehr Lebensräume für Insekten entstehen, indem der gesetzliche Biotopschutz um Streuobstwiesen, extensiv genutzte Mähwiesen sowie Steinriegel und Trockenmauern ergänzt wird.

Viele Schutzgebiete bieten künftig noch besseren Schutz für Insekten: Über die Novelle zur Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung wird dort der Einsatz von Herbiziden und bestimmten Insektiziden, die unverträglich für Bestäuber sind, verboten. Die Verordnung regelt auch das verbindliche Ende von Glyphosat: Die Anwendung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln wird zum Ablauf des Jahres 2023 beendet und damit zum europarechtlich frühestmöglichen Zeitpunkt. Bis zu diesem „Komplettausstieg“ gelten neue deutliche Einschränkungen des Einsatzes dieses Totalherbizids. Außerdem gilt ein neuer Mindestabstand zu Gewässern für sämtliche Pflanzenschutzmittel. Das Insektenschutzgesetz wiederum schränkt die Verwendung von bestimmten Bioziden, so zum Beispiel von Holzschutzmitteln, in vielen Schutzgebieten ein.

Schulze: „Der Glyphosatausstieg kommt. Darauf habe ich mit vielen Umweltschützern lange hingearbeitet. Glyphosat tötet alles, was grün ist, und entzieht Insekten damit die Lebensgrundlage. Darum ist dieser Ausstieg ein großer Erfolg. Aber für die Umwelt wäre zu wenig gewonnen, wenn man nur von Glyphosat auf andere Pestizide umsteigen würde. Auch andere Pflanzenschutzmittel können Insekten schaden. Darum ist ein zweiter Beschluss für unsere Ökosysteme mindestens genauso wichtig: Künftig werden weniger Flächen gespritzt, so dass mehr Rückzugsräume für Insekten bleiben. Die Landwirtschaft kann beim Umstieg auf die Unterstützung der Politik zählen. Wer heute Insekten schützt, sichert auch die Landwirtschaft von morgen.“

Bereits im Koalitionsvertrag war vereinbart worden, das Insektensterben zu bekämpfen. Die Bundesregierung hatte dazu im September 2019 das „Aktionsprogramm Insektenschutz“ beschlossen, um die Lebensbedingungen für Insekten umfassend zu verbessern. Auch die Fortsetzung des erfolgreichen Programms „Nationales Naturerbe“ mit einer vierten Tranche ist ein weiterer, gesonderter Auftrag aus dem Koalitionsvertrag. Das jetzt verabschiedete Regelungspaket dient der rechtlichen Umsetzung dieser Vorgaben.

Das nun vom Bundestag verabschiedete Gesetz stellt zusammen mit der Novelle der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung einen guten Mix aus Ordnungsrecht und freiwilligen Vereinbarungen dar und setzt gleichzeitig die notwendigen Maßnahmen aus dem Aktionsprogramm Insektenschutz verbindlich um. Flankierend zu den Rechtsetzungsverfahren hatten Bund und Länder zudem bereits am 11. Juni 2021 beschlossen, zum Ausgleich von  Bewirtschaftungseinschränkungen für die Landwirtschaft den Sonderrahmenplan Insektenschutz in der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) um weitere 65  Millionen Euro auf jetzt 150 Millionen Euro jährlich zu verstärken. Dieser Betrag wird von den Ländern noch um einen eigenen 40-Prozent-Anteil aufgestockt. Die Mittel dienen unter anderem dazu, den Verzicht auf bestimmte Pflanzenschutzmitttel über kooperative Ansätze auszugleichen. Über eine neue Regelung im Bundesnaturschutzgesetz sollen die Länder dazu ermuntert werden, weitere freiwillige Vereinbarungen zur Förderung der Biodiversität und zu einer nachhaltigen Bewirtschaftungsweise anzubieten. Damit wird das im Bundesnaturschutzgesetz bereits angelegte Kooperationsprinzip noch einmal besonders betont und weiter gestärkt.