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Neue Erkenntnisse zur Abbaudynamik organischen Materials im Meeresboden

Meeresboden
Bild: Pixabay

Viele Prozesse in der Tiefsee sind noch nicht gut verstanden, und vor allem die Rolle von mikrobiellen Gemeinschaften ist oft eine große Unbekannte. Dazu gehört zum Beispiel, wie organisches Material, das von der Wasseroberfläche auf den Ozeanboden absinkt, verstoffwechselt wird – ein wichtiger Baustein, um den globalen Kohlenstoffkreislauf besser zu verstehen. Das Team vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften und den Fachbereichen Geowissenschaften sowie Biologie/Chemie der Universität Bremen um Erstautor Qing-Zeng Zhu hat jetzt eine Studie dazu im Magazin Science Advances veröffentlicht.

Die langfristige Ablagerung organischen Materials in Sedimenten des Ozeanbodens ist ein Schlüsselprozess im globalen Kohlenstoffkreislauf. Die Frage, ob das abgelagerte Material aus chemischer Perspektive eher den marinen Algen oder den Mikroorganismen ähnelt, die die Algenbiomasse zersetzen, ist weitgehend ungeklärt.

Für ihre Studie hat das Team organisches Material markiert mit 13C-Kohlenstoff gefüttert – entweder ein Algen-Lipid-Mix oder aber Rohproteine – und über 400 Tage im Labor beobachtet. Die mikrobiellen Gemeinschaften stammen aus einem Sedimentkern, der vor Helgoland gewonnen wurde. Die Ausgangsfrage war: Was geschieht mit frischer Biomasse, und welche Mikroorganismen sind an deren Verarbeitung beteiligt? Damit wurde erstmals die Bildung neuer Biomasse von Sekundärproduzenten und deren Umsatz genauer quantifiziert.

Das Team hat festgestellt, dass mikrobielle Gemeinschaften durch die Zugabe von Lipiden und Proteinen stimuliert werden können und nicht nur leichter verdauliche frische Biomasse, sondern auch verstärkt den ansonsten schwer abbaubaren alten organischen Kohlenstoff zersetzen. Relevant wird diese neue Erkenntnis, weil der Eintrag frischer organischer Masse durch menschengemachte, klimabedingte Umweltveränderungen erhöht wird, etwa durch sich ausbreitende sauerstoffarme Zonen im Ozean, schmelzendes Meereis oder Gletscherschwund.

„Unsere Studie ist die erste, die den Abbau von labiler organischer Substanz mit dem Wachstum von Mikroben und den Folgen für die Zusammensetzung der organischen Substanz, die schließlich im Meeressediment vergraben wird, in Verbindung bringt. Wir waren überrascht, dass die Zugabe von frischer organischer Substanz einen unverhältnismäßig großen und langanhaltenden Einfluss auf den Abbau alter, vermeintlich schwer abbaubarer organischer Substanz hatte“, sagt Prof. Jack Middelburg von der Universität Utrecht (Niederlande), Ko-Autor der Studie und Exzellenzprofessor im Exzellenzcluster „Der Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“ am MARUM. Im Rahmen der Forschung dieses Clusters habe die Studie entscheidende Erkenntnisse zur Verknüpfung von Ablagerungsereignissen organischer Substanz mit der langfristigen Erhaltung von organischem Kohlenstoff geliefert und verbindet somit die Forschungseinheiten Receiver, Reactor und Recorder.

Der Eintrag von frischer organischer Substanz in den Meeresboden könnte aufgrund der klimabedingten Veränderungen der Umwelt zunehmen. Diese werden sich nicht nur direkt auf die am und im Meeresboden lebenden Mikroorganismen auswirken, sondern auch in noch weitgehend unerforschter Weise auf den Kohlenstoffkreislauf und damit auf die Rückkopplung mit dem Klimasystem.

MARUM


Originalpublikation:

Qing-Zeng Zhu, Xiuran Yin, Heidi Taubner, Jenny Wendt, Michael W. Friedrich, Marcus Elvert, Kai-Uwe Hinrichs, Jack J. Middelburg: Secondary production and priming reshape the organic matter composition in marine sediments. Science Advances 2024. DOI: 10.1126/sciadv.adm8096, https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adm8096