RNA-Moleküle sind echte Alleskönner. Sie tragen die genetische Information aus der DNA in der Zelle weiter. Sie regulieren die Aktivität von Genen. Und einige von ihnen wirken katalytisch: Genau wie Enzyme ermöglichen sie biochemische Reaktionen, die von allein nur schwer oder gar nicht ablaufen würden. RNA-Moleküle, die das leisten können, heißen Ribozyme.
Das Team von Chemieprofessorin Claudia Höbartner von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg präsentiert im Journal Nature Chemistry jetzt ein neu entdecktes Ribozym, das den Namen SAMURI erhielt.
SAMURI kann andere RNA-Moleküle zielgenau verändern. Diese Fähigkeit ist für die RNA-Forschung sehr hilfreich: „Wir können solche Ribozyme als Werkzeuge nutzen, um RNA mit Farbstoffen zu markieren und sichtbar zu machen“, sagt JMU-Forscher Dr. Takumi Okuda. „So lassen sich die Wege der RNA in der Zelle und ihre Wechselwirkungen mit anderen Molekülen noch besser erforschen.“
Ribozyme kommen zukünftig vielleicht auch für den therapeutischen Bereich in Frage. „Wir sehen neue Anwendungsmöglichkeiten für Ribozyme, wenn die für eine spezielle Aufgabe zuständigen Enzyme fehlen oder aufgrund von Mutationen nicht mehr funktionieren“, sagt Claudia Höbartner.
Details über das neue Ribozym
Wodurch sich das neue Ribozym SAMURI auszeichnet? Es modifiziert andere RNA-Moleküle an einer genau definierten Stelle, und zwar an einem Adenin-Baustein. Dort befestigt es Moleküle, an die sich wiederum Farbstoffe oder andere Moleküle zielsicher, schnell und stabil einklicken lassen – ähnlich wie beim Verschließen eines Sicherheitsgurts. Solche Reaktionen werden als Click-Chemie bezeichnet.
SAMURI hat außerdem den Vorteil, dass es bei denselben physiologischen Bedingungen aktiv ist, wie sie in lebenden Zellen herrschen. Bei anderen synthetischen Ribozymen ist das nicht der Fall.
Eine weitere Besonderheit: SAMURI ist ein Ribozym, das RNA-Moleküle im Zusammenspiel mit einem neuen synthetischen Cofaktor für die Click-Chemie zugänglich macht. Diesen Cofaktor hat Dr. Takumi Okuda entwickelt; er ist dem natürlichen Cofaktor SAM (S-Adenosylmethionin) nachempfunden. Daher leitet sich auch der Name des neuen Ribozyms ab: SAMURI steht für “SAM-analogue utilizing ribozyme”.
Die folgenden Forschungsschritte
Claudia Höbartners Gruppe will als nächstes die Struktur und den Wirkmechanismus von SAMURI aufklären. Außerdem möchte sie weitere Ribozyme entwickeln, die auch andere RNA-Bausteine außer Adenin modifizieren können.
Kooperationspartner und Förderer
Die Publikation entstand in Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Professor Jörg Vogel, Leiter des Würzburger Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) und Leiter des Lehrstuhls für Molekulare Infektionsbiologie I der JMU. Finanzielle Förderung kam von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Europäischen Forschungsrat (ERC).
Der Lehrstuhl für Organische Chemie I
Unter der Leitung von Professorin Claudia Höbartner erforscht das Team des Lehrstuhls für Organische Chemie I an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg die Chemie der Nukleinsäuren. Die Gruppe synthetisiert chemisch modifizierte DNA und RNA; sie entwickelt DNA-Katalysatoren, Ribozyme und RNA-Aptamere. Sie erforscht die Funktionen dieser Biomoleküle und entwickelt innovative Anwendungen an der Schnittstelle von Chemie und Molekularbiologie.
Universität Würzburg
Originalpublikation:
Okuda, T., Lenz, AK., Seitz, F. et al. A SAM analogue-utilizing ribozyme for site-specific RNA alkylation in living cells. Nat. Chem. (2023). doi.org/10.1038/s41557-023-01320-z