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Ein epigenetisches Muster der Depression

Eine Frau schaut traurig durch eine Scheibe
Ein epigenetisches Muster der Depression, Bild von Johnny Gunn auf Pixabay

Sogenannte epigenetische Markierungen an der Oberfläche der Erbsubstanz DNA - infolge von Erfahrungen und Erlebnissen eines Menschen - beeinflussen, wann unsere Zellen welche Gene aktivieren und bestimmte Proteine herstellen. Für den Stoffwechsel der Zellen und den gesamten Organismus können diese epigenetischen Markierungen erhebliche Folgen haben. Eine internationale Studie unter Beteiligung der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des LMU Klinikums hat nun erstmals anhand einer sehr großen Stichprobe epigenetische Marker identifiziert, die charakteristisch für die Erkrankung Depression sind. 

Zu den häufigsten epigenetischen Markierungen der DNA gehören chemische Veränderungen, die als „Methylierungen“ bezeichnet werden. Genau diese Methylierungen haben die Autorinnen und Autoren der neuen Meta-Analyse unter die Lupe genommen. Für eine Meta-Analyse nutzt man die Daten vorheriger Studien zu einer bestimmten Fragestellung. So kommt letztlich eine größere Stichprobe zusammen, die in der Regel statistisch wertvolle Analysen ermöglicht. 

So auch in diesem Fall: Die DNA-Methylierungen von mehr als 26.000 Probandinnen und Probanden mit und ohne Depression sollten Erkenntnisse darüber liefern, ob sich ein bestimmtes epigenetisches Muster erkennen lässt, das typischerweise gehäuft bei Patientinnen und Patienten mit der Erkrankung auftritt. Und darüber, welche Gene bei diesen Betroffenen epigenetisch verändert sind. Beides gibt Hinweise auf die Mechanismen der Entwicklung einer Depression. 

Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des LMU Klinikums steuerte umfangreiche Daten von Heranwachsenden aus der BioMD-Y-Studie bei, die von Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne geleitet wird und an der Prof. Dr. Ellen Greimel, Dr. Lisa Feldmann und Dr. Aline Scherff aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie beteiligt sind. Im Kontext des Projekts besteht auch eine langjährige Kooperation zwischen der Kinder- und Jugendpsychiatrie mit dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie. „Die Ergebnisse untermauern auch die Annahme, dass das Immunsystem ein vermittelnder Faktor für die Entwicklung einer Depression sein könnte“, sagt Prof. Dr. Ellen Greimel. Die Studienergebnisse wurden jetzt im Fachjournal Nature Mental Health veröffentlicht.

Das Ergebnis der Meta-Analyse

Insgesamt haben die Forschenden 15 spezifische Zielorte der Methylierung im Erbgut identifiziert, die signifikant mit einer Diagnose von Depression verbunden sind. Bei diesen Stellen handelt es sich unter anderem um Gene, die mit Autoimmunerkrankungen (wie zum Beispiel rheumatoide Arthritis) zusammenhängen. Dazu passend zeigte sich, dass ein aus den Daten berechneter Methylierungs-Score nicht nur mit Depression zusammenhängt, sondern auch mit bestimmten Entzündungsmerkmalen. „Das“, erklärt Aline Scherff, „weist auf die vermittelnde Rolle des Immunsystems bei der Entstehung von Depressionen hin.“

Darüber hinaus hängt das Methylierungsmuster mit depressionsrelevanten Merkmalen wie dem Body-Mass-Index zusammen. Der BMI ist deshalb depressionsrelevant, weil er den allgemeinen Gesundheits- und Ernährungszustand sowie Stoffwechselprozesse widerspiegelt, die nicht nur mit Risikofaktoren für körperliche und psychische Erkrankungen assoziiert sind, sondern auch spezifisch die Entstehung von Depression begünstigen können. Last not least, so Scherff, „brachte die Analyse der Daten Hinweise, dass die DNA-Methylierung möglicherweise ursächlich zur Entstehung einer Depression beiträgt.“ Dieser Befund muss allerdings in weiteren Studien bestätigt werden.

Auch unabhängig von den aktuellen Ergebnissen ist die Depression nach aktuellem Stand der Forschung multifaktoriell bedingt. Das heißt, bei der Entstehung von Depression handelt es sich stets um ein komplexes Zusammenspiel aus Stress in Form belastender Lebensereignisse oder anhaltender alltäglicher Belastungen und biologisch/genetischer beziehungsweise psychischer Veranlagung. „Die Epigenetik ermöglicht uns eine Erklärung, wie im Rahmen dieses Entstehungsmodells eine genetische Veranlagung in der Interaktion mit Umweltfaktoren zu einem erhöhten Risiko für Depression beitragen könnte“, betont Ellen Greimel. Langfristig, so die Psychologin weiter, „könnte die Untersuchung der DNA-Methylierung die Erfassung des individuellen Depressionsrisikos unterstützen.“

LMU Klinikum München


Originalpublikation:

Shen, X., Barbu, M., Caramaschi, D. et al. A methylome-wide association study of major depression with out-of-sample case–control classification and trans-ancestry comparison. Nat. Mental Health (2025). https://doi.org/10.1038/s44220-025-00486-4

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