Die Gärten sind als Modelle eines nachhaltigen Gartenbaus konzipiert. Sie stärken die Ernährungssicherheit der Menschen im Tibesti und verhelfen ihnen durch den Verkauf landwirtschaftlicher Produkte zu einem zusätzlichen Einkommen. „Die Saharagärten sind ein partizipatives Projekt, in das die Einwohner vor Ort von Anfang an einbezogen wurden. Sie haben durch den Einsatz eigener Ressourcen, beispielsweise bei der Materialbeschaffung für den Brunnenbau oder dem Bau von Zäunen, aktiv zum Aufbau der Gärten beigetragen“, erklärt Projektleiter Dr. habil. Tilman Musch. Er betont, dass es nicht Ziel des Vorhabens sei, vermeintlich allgemeingültige Lösungen für den Gartenbau in der Wüste zu realisieren. Dies sei schon deshalb nicht möglich, weil sich die Umweltbedingungen für den Landbau im Tibesti auf kleinem Raum stark unterscheiden.
„Die Modellgärten sind als Versuchsflächen konzipiert, auf denen neue Ideen und Konzepte für den Landbau erprobt werden. Auf drei Etagen wachsen hier Gemüse und Kräuter, Dattelpalmen und Obstbäume. Die Menschen vor Ort bringen ihre Erfahrungen und ihr Wissen in den täglichen Betrieb der Gärten ein. Künftig werden sie die Gärten in eigener Initiative weiterentwickeln. Unser Projekt ist daher ein Beispiel für eine gelebte Bürgerwissenschaft: eine ‚Citizen Science‘, wie sie heute auch mit Blick auf Europa immer stärker eingefordert wird“, sagt Musch.
Bis in die 1960er Jahre hinein wurden in den Oasen des Tibesti Getreide, Tomaten und Dattelpalmen angebaut. Doch infolge von Abwanderungen und Kriegen geriet der Landbau zunehmend in Vergessenheit. Bei der Auswahl der Standorte für die neuen Gärten war die Anknüpfung an diese Tradition ein wichtiges Kriterium. Allerdings ging es jetzt nicht einfach um eine Wiederbelebung, sondern um eine innovative Gestaltung der Gärten unter Aspekten der Nachhaltigkeit, des Klimawandels und praxistauglicher Agrartechniken.
Vor allem drei Herausforderungen waren zu bewältigen: Vorrang hatte zunächst die Erschließung von Wasserquellen. Der Bau kostenaufwändiger Tiefbrunnen schien dabei nicht erstrebenswert, weil der Zugang zum Wasser dadurch zentralisiert und der Wasserverschwendung Vorschub geleistet würde. Stattdessen wurden offene Brunnen und Bohrlöcher in Verbindung mit modernen solarbetriebenen Pumpen installiert. Dabei stellte sich heraus, dass alle diese Formen der Wassererschließung Vor- und Nachteile mit sich bringen und oftmals sehr unterschiedlichen Zwecken gleichzeitig dienen – nicht allein der Bewässerung der Gärten, sondern auch der Trinkwasserversorgung der Bevölkerung oder dem Tränken von Ziegen- und Schafherden.
Eine nachhaltige Bewässerung der Gärten, die einen möglichst effizienten Umgang mit den vorhandenen Wasservorräten gewährleistet, war ein weiteres zentrales Projektziel. Statt kostenaufwändige Systeme der Tröpfchenbewässerung einzukaufen, die in technische Abhängigkeiten führen und oft einem raschen Verschleiß unterliegen, entschied sich das Projektteam in vielen Fällen für konventionelle, aber hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit verbesserte Formen der Bewässerung. „Wir sind weiterhin mit der Bevölkerung vor Ort im Dialog über Möglichkeiten, diese traditionell üblichen Bewässerungsverfahren zu optimieren“, erklärt Musch. Darüber hinaus hat er mit seinem Team vor Ort erfolgreich eine Technik erprobt, die in den Oasen der Sahara bisher noch nicht verwendet wurde: Die Unterflurbewässerung mit porösen, aber robusten Perlschläuchen führt nachweislich zu einem sehr sparsamen Wasserverbrauch.
Die dritte Herausforderung bestand darin, den großflächigen Einsatz von Pestiziden und Kunstdüngern zu vermeiden und keine Abhängigkeiten von globalen Saatgut-Märkten entstehen zu lassen. Daher erhielten die lokalen Gartenbetreiber samenfestes Saatgut, das unter zwei Kriterien ausgewählt wurde: Die Pflanzenarten sollten unter den klimatischen Bedingungen der Zentralsahara gedeihen können. Zudem sollten ihre Früchte für das Auge so klar unterscheidbar sein, dass zu ihrer Identifizierung keine aufwändige Dokumentation benötigt wird. Die Gärtner vor Ort werden diejenigen Obst- und Gemüsesorten, die ihnen am besten angepasst scheinen, beibehalten und gezielt weitervermehren. So entstehen möglicherweise Varietäten, die noch besser an die örtlichen Boden-, Wetter- und Klimaverhältnisse angepasst sind.
Zum Tibesti-Gebirge:
Das Tibesti-Gebirge ist mit einer Höhe von bis zu etwa 3.500 Metern das höchste Gebirge der Zentralsahara. Es ist von Vulkanismus geprägt und war während der jahrtausendelangen Austrocknung der Sahara ein Rückzugsraum für Pflanzen und Tiere. Durch das zentrale Tibesti verläuft die Wasserscheide zwischen den Becken des Tschadsees und des Mittelmeers. Um an den entlegenen Projektstandorten die neuen Saharagärten einzurichten, musste das dafür benötigte Material auf unbefestigten Wegen über eine Gesamtstrecke von mehr als 1.600 Kilometern durch die Wüste transportiert werden, was die umfassendste Herausforderung dieses Pionierprojektes darstellte.
Universität Bayreuth
Originalpublikation:
Tilman Musch: Saharagärten. Ein landwirtschaftliches Pionierprojekt im Tibesti-Gebirge (Zentralsahara). Berichte über Landwirtschaft. Zeitschrift für Agrarpolitik und Landwirtschaft (2023). https://buel.bmel.de/index.php/buel/article/view/475