Vor etwa 8000 Jahren wurden die Menschen in Europa sesshaft und begannen damit, Ackerbau zu betreiben. Viele Forschungsprojekte befassen sich mit den damaligen landwirtschaftlichen Praktiken, lassen in der Regel jedoch den Effekt von Schädlingen aussen vor. Vor allem für die westmediterranen Regionen Europas gab es bisher kaum Belege für das Vorkommen von schädlichen Insekten und Nagetieren.
Eine Arbeit der Forschungsgruppe von Prof. Dr. Ferran Antolín an der Universität Basel zeigt nun, dass die Menschen in Südeuropa schon in der mittleren Jungsteinzeit mit Schädlingen wie Waldmäusen und Kornkäfern zu kämpfen hatten – und auch wirksame Strategien dagegen entwickelt haben. Die Untersuchung fand im Rahmen des vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Projekts AgriChange statt. Ebenfalls beteiligt waren die ETH Zürich und das Deutsche Archäologische Institut.
Im Dreck konserviert
Für ihre Studie durchsuchten Dr. Simone Häberle und Dr. Marguerita Schäfer die Sedimentschichten von drei prähistorischen Brunnen nach Überresten von Insekten und kleinen Nagetieren. Die Fundstellen gehören zu einer jungsteinzeitlichen Siedlung in der Nähe von Les Bagnoles (Südfrankreich), die auf ca. 4300-3700 v. Chr. datiert wurde. Die in den Brunnen angesammelten Abfälle sind durch die permanente Nässe und den daraus folgenden Sauerstoffmangel aussergewöhnlich gut konserviert.
Überraschenderweise fanden die Archäozoologinnen in einem der Brunnen die Knochen von mehr als vierzig Waldmäusen. Diese gehörten vermutlich zu einer grösseren Population, die von Abfällen und in der Siedlung gelagerten Nahrungsmitteln angezogen wurden – möglicherweise entsorgten die Bauern in dem stillgelegten Brunnen die Mäuse, die sie beim Stehlen ihrer Vorräte ertappt hatten. «Die Waldmaus hat sich also wahrscheinlich schon in menschlichen Siedlungen etabliert, bevor sie dann in der Bronzezeit von der Hausmaus verdrängt wurde», sagt Häberle. «Dies zeigt, wie der Mensch schon damals die natürlichen Ökosysteme veränderte und dass seine Siedlungen einen attraktiven Lebensraum für gewisse Wildtierarten darstellten.»
Die Proben enthielten auch die Überreste von zahlreichen Insekten – etwa dem nur wenigen Millimeter grossen Kornkäfer, der auch heute noch Getreidelager befällt, sowie weitere potenziell schädliche Samen- und Laufkäfer. «Es ist selten, dass sowohl Reste von Kleinsäugern als auch Insekten an einem Ort untersucht werden konnten», sagt Schäfer. «Das macht unsere Beobachtungen umso relevanter und bietet interessante Perspektiven für die zukünftige Erforschung prähistorischer Schädlinge.»
Resilienz gegen Schädlinge
Die Ergebnisse ermöglichen auch Rückschlüsse auf den Umgang der jungsteinzeitlichen Bauern mit der Bedrohung. «Etwa um 4000 v. Chr. herum haben die Menschen an verschiedenen Orten im westlichen Mittelmeerraum von Nacktweizen, der anfällig für Vorratsschädlinge ist, auf Spelzweizen umgestellt», sagt Antolín. «Danach scheinen in Les Bagnoles die Hinweise für den Kornkäfer abzunehmen.» Dies könnte darauf hinweisen, dass die Bauern durch diesen Umstieg zu Spelzweizen eine gewisse Resilienz gegen Schädlinge entwickelt haben.
«Diese resistenteren Getreide wie Einkorn und Emmer machen heute nur noch einen kleinen Teil unserer Anbauflächen aus. Im Hinblick auf die künftige landwirtschaftliche Widerstandsfähigkeit sollten sie unbedingt wieder mehr in Betracht gezogen werden», so Antolín. Dies sei eine nützliche Lektion aus der Vergangenheit.
Universität Basel
Originalpublikation:
Simone Häberle et al.: Small Animals, Big Impact? Early Farmers and Pre- and Post-Harvest Pests from the Middle Neolithic Site of Les Bagnoles in the South-East of France (L’Isle-sur-la-Sorgue, Vaucluse, Provence-Alpes-Côte-d’Azur). MDPI Animals (2022), https://doi.org/10.3390/ani12121511