Der Vorgang dauert nur wenige Millisekunden: Ein Vesikel, gefüllt mit Neurotransmittern und nur ein paar Nanometer groß, nähert sich der Zellmembran, verschmilzt mit ihr und gibt seine Botenstoffe an den synaptischen Spalt ab – sodass sie sich dort an die nächste Nervenzelle heften können. Ein Team um Prof. Christian Rosenmund, Letztautor der Publikation und stellvertretender Direktor des Instituts für Neurophysiologie an der Charité, hat diesen für die Arbeit des Gehirns entscheidenden Moment in mikroskopischen Bildern festgehalten.
Punktförmige Verbindungen
„Niemand wusste bisher, wie die Fusion der synaptischen Vesikel mit der Zellmembran im Detail abläuft“, sagt die Erstautorin der Studie, Dr. Jana Kroll, die mittlerweile in der Arbeitsgruppe „Strukturbiologie Membran-assoziierter Prozesse“ von Prof. Oliver Daumke am Max Delbrück Center forscht. „In unseren Experimenten mit Mäuse-Neuronen konnten wir zeigen, dass sich zunächst eine punktförmige Verbindung bildet. Dieser winzige Stiel erweitert sich dann zu einer Pore, durch die die Neurotransmitter in den synaptischen Spalt gelangen“, erläutert Jana Kroll.
„Mithilfe der über fünf Jahre hinweg entwickelten Technologie ist es zum ersten Mal gelungen, Synapsen bei der Arbeit zuzusehen, ohne sie dabei zu stören“, ergänzt Christian Rosenmund. „Jana Kroll hat hier echte Pionierarbeit geleistet“, sagt der Wissenschaftler, der auch zum Vorstand des Excellenzclusters NeuroCure gehört.
Schockgefroren in Ethan
Um die Synapsen in Echtzeit zu beobachten, haben die Forschenden Nervenzellen von Mäusen genutzt, die sie zuvor mithilfe der Optogenetik so verändert hatten, dass die Zellen durch ein Lichtsignal aktiviert werden – und daraufhin sofort beginnen, Neurotransmitter auszuschütten. Innerhalb von ein bis zwei Millisekunden hat das Team die Neuronen dann in minus 180 Grad Celsius kaltem Ethan schockgefroren. „Alle zellulären Vorgänge stehen bei diesem Verfahren, dem Plunge Freezing, sofort still und können elektronenmikroskopisch sichtbar gemacht werden“, erläutert Jana Kroll.
Dabei stießen die Wissenschaftler:innen auf ein weiteres interessantes Detail: „Wir konnten erkennen, dass die meisten der fusionierenden Vesikel über kleine Filamente mit mindestens einem weiteren Vesikel verbunden sind – sobald ein Vesikel mit der Zellmembran verschmilzt, steht schon das nächste bereit“, berichtet Jana Kroll. „Wir gehen davon aus, dass diese direkte Form der Vesikel-Rekrutierung es ermöglicht, dass Neurone auch über einen längeren Zeitraum hinweg Signale senden und so ihre Kommunikation aufrechterhalten können.“
Epilepsien besser behandeln
Die Fusion der Vesikel, die das Team visualisiert hat, findet in unseren Gehirnen jede Minute millionenfach statt. Den Prozess im Detail zu verstehen, ist auch für medizinische Zwecke wichtig: „Bei vielen Menschen mit Epilepsie oder anderen Erkrankungen der Synapsen sind Mutationen in Proteinen bekannt, die an der Vesikelfusion beteiligt sind“, erklärt Christian Rosenmund. „Wenn wir die genaue Rolle dieser Proteine aufdecken, können wir leichter zielgerichtete Therapien für solche Synaptopathien entwickeln.“
„Der vor uns vorgestellte Ansatz für eine zeitaufgelöste Kryo-Elektronenmikroskopie mittels Licht ist zudem nicht auf Neurone beschränkt, sondern lässt sich in vielen Bereichen der Struktur- und Zellbiologie anwenden“ ergänzt Jana Kroll. Sie selbst möchte ihre Experimente jetzt am Max Delbrück Center zunächst mit menschlichen Neuronen wiederholen, die sie aus Stammzellen gewinnt. Eine leichte Aufgabe werde das allerdings nicht, kündigt die Forscherin an: „Die Zellen benötigen im Labor rund fünf Wochen, bis sie erste Synapsen entwickeln, und sind dabei extrem empfindlich.“
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Originalpublikation:
Kroll, J., Kravčenko, U., Sadeghi, M. et al. Dynamic nanoscale architecture of synaptic vesicle fusion in mouse hippocampal neurons. Nat Commun16, 11131 (2025). doi.org/10.1038/s41467-025-67291-6





