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Sind wir einzigartig? Neues Konzept beleuchtet, wie Lebewesen die Erde formen – von der Urzeit bis heute

Ein neuer Ansatz, um zu verstehen, wie Lebewesen ihre Umwelt grundlegend verändern – und was sich daraus für die Rolle des heutigen Menschen ableiten lässt, wurde jetzt von einem internationalen Team vorgestellt. Das Konzept des „Earth System Engineering“ umfasst biologische Prozesse, die nicht nur lokal Lebensräume verändern, sondern zentrale Teile des Erdsystems – etwa die Atmosphäre, Ozeane und Böden – nachhaltig beeinflussen und Spuren über Millionen Jahre hinterlassen. Mit dem neuen Ansatz lassen sich heutige Entwicklungen mit Belegen aus der Fossilüberlieferung verknüpfen, um so die „Großfolgen“ des Lebens systematisch zu untersuchen. 

Mensch sitz vor einer felswand im australischen Kalbarri Nationalpark

In der Fossilüberlieferung finden die Forschenden Spuren von „Earth System Engineering“ der tiefen Vergangenheit, hier im australischen Kalbarri Nationalpark. Copyright: Rachel Racicot

Unser Planet ist ständig in Veränderung. Seit der Entstehung des Lebens vor etwa 3,5 Milliarden Jahren wird die Erde von verschiedensten Lebewesen beeinflusst und gestaltet – lokal und zeitlich begrenzt wie beim Dammbau eines Biebers oder in großem Maßstab und mit Auswirkungen über lange Zeiträume hinweg. Mit den Eingriffen des modernen Menschen scheint die Umgestaltung einen nie dagewesenen Höhepunkt erreicht zu haben. Aber stimmt das? Um dieser Frage systematisch auf den Grund zu gehen, hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Simon Darroch vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt einen neuen Ansatz entwickelt, um verschiedene Arten des „Bio-Engineerings“ im Laufe der gesamten Erdgeschichte zu untersuchen. 

Die neu erschienene Studie unterscheidet zwischen klassischem „Ecosystem Engineering“ (EE) – hierbei verändern einzelne Arten lokal die Verteilung wichtiger Ressourcen und schaffen damit Lebensräume – und dem neuen Konzept des „Earth System Engineering“ (ESE), dessen Effekte global wirken und sehr lange anhalten. 
„Wir schlagen den Begriff ‚Earth System Engineering‘ vor, um biologische Prozesse zu fassen, die die Funktionsweise der Erde als Ganzes verändern – chemisch, physikalisch oder klimatisch“, erklärt Paläontologe Darroch. „Solche Entwicklungen hat es in der Erdgeschichte immer wieder gegeben. Durch die Fotosynthese erhöhte sich beispielsweise vor 2,4 Milliarden Jahren der Sauerstoffgehalt der Luft und schuf damit Voraussetzungen für komplexes Leben. Riffe speichern Kohlendioxid und wirken so auf den globalen Kohlenstoffkreislauf. Und die Ausbreitung dichter Wälder veränderte durch ihren Einfluss auf die Rückstrahlung von Sonnenlicht – den sogenannten Albedo-Effekt – nachhaltig das Klima des Planeten. Solche Prozesse reichen über die Lebenszeit der jeweiligen Organismen hinaus und können weit entfernte Ökosysteme betreffen.“ 

Der neue Ansatz erlaubt es den Forschenden, Beobachtungen aus der Gegenwart mit Belegen aus der Fossilüberlieferung zu verbinden und so die gesamte Erdgeschichte in den Blick zu nehmen. „Wir möchten das Konzept nutzen, um etwa die Frage zu klären, ob solche einschneidenden Umgestaltungen in Clustern auftreten und ob sich ihre Folgen voraussagen lassen,“ berichtet Prof. Dr. S. Kathleen Lyons von der University of Nebraska-Lincoln (USA), Letztautorin der Studie. 
Besonders im Fokus steht dabei die Rolle des modernen Menschen. „Viele menschliche Eingriffe – von der Nutzung fossiler Energieträger bis zur industriellen Landwirtschaft – haben globale und langfristige Auswirkungen. Die Klimaerwärmung und das weltweite Artensterben sind offensichtliche und gravierende Folgen unseres ‚Earth System Engineering‘,“ ergänzt Co-Autorin Prof. Dr. Alycia L. Stigall von der University of Tennessee, Knoxville (USA).
„Die zentrale Frage ist: Sind die heutigen vom Menschen ausgelösten Effekte wirklich einzigartig – oder gibt es Parallelen in der Erdgeschichte? Und was können wir aus ihnen lernen?,“ so Darroch und schließt: „Im Fossilbefund finden wir zum Beispiel Hinweise auf Phasen, in denen ESE-Prozesse geschwächt oder unterbrochen wurden, etwa nach Massenaussterben. Solche Erkenntnisse sind angesichts der aktuellen Biodiversitätskrise natürlich besonders relevant. Die Beantwortung dieser Fragen kann helfen, die langfristigen Folgen unseres Handelns im Anthropozän besser zu verstehen.“

Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung


Originalpublikation:

Darroch, Simon A.F. et al.: Earth system engineers’ and the cumulative impact of organisms in deep time, Trends in Ecology & Evolution, https://doi.org/10.1016/j.tree.2025.08.005

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