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Mit der Genschere gegen erbliches Nierenleiden

Mutationen, die zu der Nierenkrankheit ADPKD führen, haben Berliner Forschende jetzt in Zellen von Mäusen und Menschen per CRISPR/Cas9 repariert. Bei Mäusen konnte das Team um Michael Kaminski so ein wichtiges Symptom der schwer behandelbaren Krankheit lindern, berichten sie in „Molecular Therapy“. 

Die beiden Fotos zeigen angefärbte Gewebsschnitte einer Mäuseleber vor und nach der Baseneditierung

Die beiden Fotos zeigen angefärbte Gewebsschnitte einer Mäuseleber vor und nach der Baseneditierung: Links sind aufgrund des Gendefekts zahlreiche große Zysten in der Leber des Tieres zu sehen; im rechten Bild sind die Zahl und auch die Größe der flüssigkeitsgefüllten Hohlräume durch die Genkorrektur sichtbar zurückgegangen. © Rishi Bhardwaj, Yale School of Medicine

Mindestens eines von tausend Kindern kommt mit der autosomal-dominanten polyzystischen Nierenerkrankung, kurz ADPKD, zur Welt. Diese gilt damit als eine der häufigsten Erbkrankheiten. Auslöser ist meist eine Mutation in den Genen PKD1 oder PKD2, die dominant vererbt wird. Durch den Gendefekt bilden die Nieren der Patient*innen Zysten, die unter anderem zu Bluthochdruck, Schmerzen und Infektionen sowie im weiteren Krankheitsverlauf zu Nierenversagen führen können.

„Bislang gibt es gegen die ADPKD nur ein einziges Medikament, das lediglich die Symptome bekämpft und oft schwere Nebenwirkungen hervorruft“, sagt Dr. Michael Kaminski, Leiter der Emmy Noether-Gruppe „Nierenzell Engineering“ am Berliner Institut für Medizinische Systembiologie des Max Delbrück Center (MDC-BIMSB) und Arzt in der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und Internistische Intensivmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Manche der Patient*innen, die den Wirkstoff erhalten, verlieren zum Beispiel bis zu sechs Liter Urin am Tag. Zudem wirkt er nicht gegen Leberzysten, an denen viele Betroffene ebenfalls leiden.

Neue Therapieoptionen sind daher von großem Interesse. Im Fachblatt „Molecular Therapy“ kann ein internationales Team um Kaminski, Dr. Sorin Fedeles und Dr. Matteus Krappitz jetzt erste Erfolge vermelden: Gemeinsam mit anderen Forschenden des Max Delbrück Center, der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der Yale University und der University of Colorado ist es gelungen, Mutationen in Zellen von Mäusen und Menschen mit einer auf der der Genschere CRISPR/Cas9 basierenden Methode zu reparieren. Im Mausmodell ließen sich durch dieses Base Editing – den Austausch einzelner Nukleotide in der DNA – zudem Leberzysten reduzieren. Gemeinsame Erstautor*innen der Publikation sind Antonia Ibel aus Kaminskis Arbeitsgruppe und Dr. Rishi Bhardwaj von der Yale School of Medicine.

Das fehlende Protein wurde wieder vermehrt exprimiert

Im ersten Schritt haben sich die Forschenden Veränderungen im PKD1-Gen von ADPKD-Patient*innen in Zellkulturen näher angeschaut. „Dabei sind wir auf 39 unterschiedliche Punktmutationen gestoßen, von denen wir etwa ein Drittel mit hoher Präzision korrigieren konnten“, berichtet Kaminski. Als nächstes nahm sich das Team einen ganz bestimmten Gendefekt in Nierenepithelzellen vor, die sie aus dem Urin von ADPKD-Patient*innen der Charité gewonnen hatten. „Sowohl in den menschlichen Zellen als auch in Zellen von Mäusen mit einem nicht funktionierenden PKD1-Gen konnten wir zeigen, dass sich der Defekt, der zu einem verkürzten Protein führt, per Base Editing effizient korrigieren ließ“, sagt Kaminski. In den behandelten Mauszellen sei das Protein Polycystin-1, für das das Gen kodiert, wieder vermehrt exprimiert worden. Dadurch sei auch die Menge eines zellulären Stressmarkers gesunken.

Im dritten und letzten Schritt ihrer Studie haben die Wissenschaftler*innen das Verfahren in einem Mausmodell für die ADPKD getestet. Dazu wurden die einzelnen Komponenten für das Base Editing in Adeno-assoziierte Viren (AAVs) verpackt und den Tieren verabreicht. „Wir haben festgestellt, dass der Base Editor seine Arbeit vor allem in den Leberzellen der Mäuse gut verrichtete: Sowohl die Zahl als auch die Größe der Zysten gingen dort deutlich zurück“, sagt Kaminski. „Für Patientinnen und Patienten könnte dieser Effekt vor allem auch deshalb nützlich sein, da das einzige für die Therapie der ADPKD derzeit zugelassene Medikament, der Wirkstoff Tolvaptan, gegen Leberzysten nicht hilft“, erläutert der Forscher.

Unklar ist, ob die Gentherapie auch in späteren Krankheitsstadien hilft

Zufriedengeben möchte sich Kaminski mit den bislang erzielten Ergebnissen trotzdem noch nicht. „Aktuell arbeiten wir an Vehikeln, mit denen sich die Genschere besser als bisher in die Zellen der Niere schleusen lässt, so dass wir den Krankheitsverlauf auch dort – im Zentrum des Geschehens – beeinflussen können“, sagt er. Zudem will der Forscher gemeinsam mit seinem Team jetzt auch andere Mutationen, die eine ADPKD hervorrufen können, beheben und die möglichen Effekte der Genreparatur untersuchen. Schließlich beschäftigt Kaminski noch die Frage nach dem geeigneten Zeitpunkt für die Therapie. „In unserem jetzigen Modell haben wir die Basenkorrektur sehr früh im Krankheitsverlauf vorgenommen“, sagt er. „Ich würde gerne herausfinden, ob das Verfahren womöglich auch im fortgeschrittenen Stadium Zysten reduzieren kann.“

Max Delbrück Center


Originalpublikation:

Antonia Ibel, Rishi Bhardwaj, et al. (2025): „In vivo base editing reduces liver cysts in autosomal dominant polycystic kidney disease“. Molecular Therapy, DOI: 10.1016/j.ymthe.2025.08.026 

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