„Mehr als drei Viertel der lebenswichtigen Erdsystem-Funktionen befinden sich nicht mehr im sicheren Bereich. Die Menschheit verlässt ihren sicheren Handlungsraum und erhöht so das Risiko, den Planeten zu destabilisieren“, sagt Johan Rockström, PIK-Direktor und Co-Autor des Berichts. Die sieben überschrittenen Grenzen sind: Klimawandel, Integrität der Biosphäre, Veränderung der Landnutzung, Veränderung des Süßwasserkreislaufs, Veränderung der biogeochemischen Kreisläufe, Eintrag menschengemachter Substanzen sowie – neu im Jahr 2025 – Ozeanversauerung. Alle sieben zeigen dem Forschungsteam zufolge in eine bedenkliche Richtung.
+++ Ozeane im Fokus: siebte planetare Grenze überschritten +++
Der Planetary Health Check 2025 zeigt deutlich eine neue Entwicklung auf: Erstmals gilt auch die planetare Grenze für die Ozeanversauerung offiziell als überschritten. Hauptursache ist die Verbrennung fossiler Energieträger, verstärkt durch Abholzung und Landnutzungswandel. Dadurch verlieren die Meere zunehmend ihre stabilisierende Rolle im Erdsystem. Die Folgen sind bereits spürbar: Kaltwasserkorallen, tropische Riffe und arktische Ökosysteme geraten unter Druck. Seit Beginn der Industrialisierung ist der pH-Wert der Ozeanoberfläche um rund 0,1 pH-Werteinheiten gesunken: Das bedeutet eine Zunahme der Versauerung um 30 bis 40 Prozent. Winzige Meeresschnecken, sogenannte Flügelschnecken, zeigen bereits Schädigungen an ihren Schalen. Als wichtige Nahrungsquelle für Fische und Wale hat ihr Rückgang Auswirkungen auf ganze Nahrungsketten, mit Folgen auch für die Fischerei und letztlich für den Menschen.
„Die Entwicklung geht eindeutig in die falsche Richtung. Die Ozeane versauern, Sauerstoffwerte sinken, und marine Hitzewellen nehmen zu. Damit wächst der Druck auf ein System, das für stabile Lebensbedingungen auf unserem Planeten unverzichtbar ist“, erklärt Levke Caesar, Co-Leiterin des Planetary Boundaries Science Lab und Leitautorin des Berichts. „Die zunehmende Versauerung geht vor allem auf Emissionen aus fossilen Brennstoffen zurück und wirkt sich zusammen mit Erwärmung und Sauerstoffrückgang auf Küstenökosysteme wie auch auf den offenen Ozean aus. Damit verbunden sind weitreichende Folgen für Ernährungssicherheit, Klimastabilität und menschliches Wohlergehen.“
„Die Ozeane sind das Lebenserhaltungssystem unseres Planeten”, erklärt Sylvia Earle, Ozeanografin und Mitglied der Initiative „Planetary Guardians“. „Ohne gesunde Meere gibt es keinen gesunden Planeten. Seit Milliarden Jahren stabilisieren die Meere die Erde: Sie produzieren Sauerstoff, prägen das Klima und tragen die Vielfalt des Lebens. Heute ist die Versauerung ein unübersehbares Warnsignal, dass die Stabilität unserer Erde in Gefahr ist. Ignorieren wir es, riskieren wir, das Fundament unserer Lebenswelt zum Einsturz zu bringen. Schützen wir die Ozeane, schützen wir uns selbst.“
+++ Planetare Grenzen zeigen wachsende Risiken und Dringlichkeit, Lebensgrundlagen der Erde zu schützen +++
Die neun planetaren Grenzen bilden die Funktionsweise des Erdsystems ab. Es ist ein Netzwerk miteinander verbundener lebenswichtiger Prozesse, das innerhalb sicherer Limits bleiben muss, damit die Menschheit sicher leben kann und die Natur widerstandsfähig bleibt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beobachten diese Grenzen anhand zentraler Indikatoren, ähnlich den Vitalzeichen in einem Gesundheitscheck, um die Lage des Planeten zu erfassen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Zustand der Erde weiter verschlechtert und das Risiko für irreversible Veränderungen steigt, einschließlich einer höheren Gefahr, Kipppunkte zu überschreiten.
Boris Sakschewski, Co-Leiter des Planetary Boundaries Science Lab und Co-Autor des Berichts, ergänzt: „Die Verbindungen zwischen den planetaren Grenzen zeigen, wie die Belastungen des Erdsystems Menschen überall auf der Welt betreffen können, aber auch, wie wir Lösungen finden können. Klar ist, dass sich menschliches Wohlergehen, wirtschaftliche Entwicklung und stabile Gesellschaften nur mit einem ganzheitlichen Ansatz sichern lassen, bei dem die Zusammenarbeit über alle Sektoren hinweg oberste Priorität hat.“
+++ Politische Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit zeigen Wirkung +++
Nur zwei Grenzen liegen noch im sicheren Bereich: die Belastung durch Aerosole (Luftverschmutzung) und die Ozonschicht. Jahrzehntelanges internationales Handeln – etwa das Montreal-Protokoll oder strengere Regeln im Schiffsverkehr – zeigt, dass politische Maßnahmen Veränderungen erwirken können. Die globale Luftverschmutzung geht den Forschenden zufolge zurück, auch wenn Süd- und Ostasien sowie Teile Afrikas und Lateinamerikas nach wie vor in sehr großem Umfang von Feinstaubbelastung betroffen sind. Die Ozonschicht hingegen hat sich weitgehend erholt.
„Der neue planetare Gesundheitscheck zeigt: Der Zustand unseres Planeten verschlechtert sich massiv. Doch diese Entwicklung ist nicht unausweichlich“, resümiert PIK-Direktor Rockström. „Beispiele wie der Rückgang der Luftverschmutzung durch Aerosole und die Erholung der Ozonschicht zeigen, dass wir die globale Entwicklung umsteuern können. Auch wenn die Diagnose ernst ist, besteht weiterhin die Chance diese Entwicklung umzukehren. Scheitern ist kein zwangsläufiger Ausgang, es liegt an uns, es zu verhindern.“
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Report: Planetary Boundaries Science (PBScience), 2025: Planetary Health Check 2025. Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam.
Weblink zum Report: https://www.planetaryhealthcheck.org/