Zu den in der neuen Studie untersuchten Flächen zählen einige streng geschützte, naturnahe Buchenwaldstandorte in den Kernzonen des Müritz-Nationalparks und des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin, darunter zwei UNESCO-Welterbe Standorte. Dafür wurden Daten von Laufkäfererhebungen aus den Jahren 1999 bis 2001 und 2020 bis 2022 bezüglich Individuenzahl, Gesamtbiomasse, Diversität und Artmerkmalen verglichen. Als Räuber sind Laufkäfer gute Indikatoren für den Status weiterer Arthropoden (Gliederfüßer) der Waldböden.
Die Ergebnisse zeigen, dass im Vergleichszeitraum sowohl die Anzahl der Laufkäfer als auch ihre Gesamtbiomasse auf allen Flächen zurückgingen (im regionalen Durchschnitt um 51% bzw. 65%). Größere und ungeflügelte Laufkäferarten waren dabei überproportional von Rückgängen betroffen. Hingegen gab keine feststellbaren Veränderungen in der Diversität der Laufkäfergemeinschaften. Die Intensität der Rückgänge variierte teilweise stark zwischen den einzelnen Standorten. Unterschiede ließen sich jedoch nicht durch den Schutzstatus der Waldflächen erklären – streng geschützte Waldflächen waren genauso stark betroffen. Vielmehr wurde ein Zusammenhang zwischen dem Anteil von Waldflächen in der umgebenden Landschaft und der Stärke der Rückgänge gefunden – in dichter bewaldeten Gegenden fielen die Rückgänge der Insekten etwas geringer aus. Die aktuellen Ergebnisse bestätigt die Aussagen der vorherigen Studie und zeigen, dass die jüngsten Dürreperioden zu einem massiven Rückgang der Laufkäferpopulationen in Waldgebieten auf regionaler Ebene geführt haben. Dabei waren auch streng geschützte, naturnahe Wälder von dieser Folge des Klimawandels betroffen. Künftige Naturschutzplanung und Maßnahmen zum Schutz von Insekten sollten daher vermehrt die landschaftlichen Begebenheiten und die potenzielle Exposition gegenüber extremen Wetterbedingungen berücksichtigen.
Fabio Weiß forschte im Rahmen seiner Promotion an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde und der Leuphana Universität Lüneburg über Langzeitentwicklungen von Waldinsekten in Deutschland. Inzwischen ist er am Cawthron Institut in Nelson (Neuseeland) tätig. „Es ist erschreckend zu sehen, dass selbst einige der ältesten und naturschutzfachlich-wertvollsten Buchenwälder Deutschlands von Insektenrückgängen betroffen sind. Diese Ergebnisse stellen in keiner Weise die Erfolge des bisherigen Naturschutzes in Frage, zeigen jedoch, dass wir uns auch hier an die Folgen des Klimawandels anpassen müssen.“
Prof. Dr. Andreas Linde ist Professor für Angewandte Ökologie und Zoologie an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit erfasst er seit 1995 Insektendaten in Nord Brandenburg. „Leider wurden die Ergebnisse unserer Forschungen zum Insektenrückgang auch auch größerer, regionaler Ebene bestätigt. Der von uns aufgezeigte Rückgang der Laufkäfer ist vermutlich nur die Spitze des Eisbergs – auch andere, wichtige bodenlebende Arthropoden dürften betroffen sein.“
Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
Originalpublikation:
Weiss, F., Winter, S., Pflugmacher, D. et al. Evidence for regional-scale declines in carabid beetles in old lowland beech forests following a period of severe drought. Landsc Ecol39, 123 (2024). doi.org/10.1007/s10980-024-01920-1