Alle blühenden Pflanzen durchlaufen am Übergang von der Wachstums- zur Fortpflanzungsphase eine Blütezeit. Ihr Beginn ist von komplexen pflanzlichen Regulationsmechanismen bestimmt. Zudem hängt sie von steuernden Umweltbedingungen ab, unter anderem Temperatur und Tageslänge. Die Bestimmung des Blühbeginns ist ein wichtiger Hebel, mit dem Pflanzen auf variable Umweltbedingungen reagieren können. Die Anpassung zum Beispiel an Trockenheit oder höhere Temperaturen erreicht eine Blütenpflanze unter anderem dadurch, dass sie bei ungünstigen Bedingungen ihre Blüte vorzieht. So versucht sie, ihre Reproduktionsphase früher einzuleiten und ihre Vermehrung dennoch sicherzustellen. Ein besseres Verständnis der Zusammenhänge von pflanzlicher Steuerung und Umwelteinflüssen ist also wichtig, um die Anfälligkeit oder Widerstandskraft verschiedener Pflanzen an den Klimawandel und die damit verbundenen Änderungen der landwirtschaftlichen Anbaubedingungen abzuschätzen. Pflanzenforschende auf der ganzen Welt untersuchen daher die an der Steuerung des Blütezeitpunkts beteiligten Mechanismen, unter anderem auch deren genetische Regulation.
Ein Forschungsteam des Botanischen Instituts der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) wies im vergangenen Jahr die Beteiligung des sogenannten POCO1-Proteins an der Regulierung des Blütezeitpunkts bei einem häufig untersuchten pflanzlichen Modellorganismus, der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana), nach. In einer kürzlich im Fachmagazin BMC Plant Biology erschienenen Folgearbeit analysierten die Forschenden aus der Abteilung für Botanische Genetik und Molekularbiologie um Professor Frank Kempken nun mittels Hochdurchsatz-Sequenzierungsverfahren die genetischen Grundlagen dieser Proteine, die pflanzliche Ribonukleinsäure (RNA). Auf diesem Weg konnten sie die genetische Ausprägung und deren Variation identifizieren, die bei Arabidopsis mit der Regulation des Blütezeitpunkts in Verbindung stehen.
Unterschiede im genetischen Repertoire
Um die mit der Blüte assoziierte sogenannte Genexpression zu untersuchen, führte das im „Kiel Plant Center“ (KPC) an der CAU aktive Forschungsteam vergleichende Analysen an Pflanzen unterschiedlicher Entwicklungsstadien durch - jeweils bei frühblühenden sogenannten Poco1-Pflanzen und den unveränderten Wildtypen. Das Forschungsteam verglich jeweils identische Entwicklungsstadien und konnte dabei deutliche Unterschiede feststellen: „Die Abweichungen zeigen sich zum Beispiel vor allem bei einer bestimmten Gruppe von Genen“, betont Hossein Emami, wissenschaftlicher Mitarbeiter in Kempkens Kieler Arbeitsgruppe. „Dazu zählt unter anderem das sogenannte ‚Flowering Locus T’(FT)-Gen, das bei Poco1- und Wildtyp-Pflanzen stark unterschiedlich reguliert ist“, so der Botaniker Emami weiter. Das Hochregulieren des FT-Gens steht also vermutlich direkt mit einem früheren Blütezeitpunkt der Acker-Schmalwand in Verbindung.
Zusätzlich untersuchten die Kieler Forschenden einen zweiten beteiligten Mechanismus, den sie ebenfalls bereits in der Vorgängerarbeit entdeckt hatten. Eine Reihe von Genen bei Arabidopsis scheint mit einem bestimmten pflanzlichen Signalweg in Verbindung zu stehen, der bei frühblühenden Pflanzen meist herunterreguliert ist. Diese sogenannten ABA-Signale sind für die Bildung eines blütehemmenden Pflanzenhormons verantwortlich, das am Übergang von der Wachstums- zur Reproduktionsphase deaktiviert werden muss. Die Genexpressionsanalyse zeigte hier, dass in den frühblühenden Pflanzen die für die ABA-Signale verantwortlichen Gene gegenüber dem Wildtyp herunterreguliert waren. „Diese Signale übernehmen also eine weitere Schlüsselfunktion bei der Blütezeitkontrolle. Ihre hemmende Wirkung auf den Beginn der pflanzlichen Reproduktion kann also unter Stressbedingungen ausgeschaltet werden, wie die herunterregulierte Expression der beteiligten Gene nahelegt“, so Emami weiter.
Genregulation trägt zum frühen Blütezeitpunkt bei
Die Mechanismen der Blütezeitkontrolle konnte das CAU-Forschungsteam also auch mittels ihrer globalen Genexpressionsanalyse bestätigen. Das Herauf- und Herabregulieren bestimmter Gene trägt daher offenbar auch dazu bei, dass das POCO1-Protein zusätzlich in den ABA-Signalweg eingreifen und so eine bis zu vier Tage frühere Blüte auslösen kann. In der Folge treten weitere stressbedingte, insbesondere trockenheitsassoziierte Gene in den frühblühenden Pflanzen in Erscheinung, was sich unter anderem in der Trockenheitsempfindlichkeit dieser Pflanzen zeigt.
„Zusammengefasst haben wir entdeckt, dass eine bestimmte genetische Variante bei der Acker-Schmalwand, die für einen früheren Blütezeitpunkt sorgt, auch eine ganze Reihe weiterer regulatorischer Anpassungen nach sich zieht“, betont Kempken. „Dies umfasst beispielsweise die zellulären Mechanismen der Blütezeitkontrolle oder die Steuerung der Spaltöffnungen zur Kontrolle von Wasserverlusten. Insgesamt können wir damit die genetischen Ausprägungen besser verstehen, die bei frühblühenden Pflanzen zum Ausdruck kommen und für deren Abweichungen vom Wildtypen sorgen“, so Kempken weiter. Das KPC-Forschungsteam identifizierte so einen weiteren wichtigen Baustein, der das Verständnis der pflanzlichen Blütezeitregulation insbesondere unter Stressbedingungen künftig verbessern wird. Diese Erkenntnisse könnten der Pflanzenzüchtung in Zukunft dabei helfen, den Blütezeitpunkt wichtiger Nutzpflanzen so anzupassen, dass sie auch unter drastisch geänderten Klimabedingungen weiterhin wachsen können.
CAU Kiel
Originalpublikation:
Hossein Emami, Abhishek Kumar and Frank Kempken (2020): Transcriptomic analysis of poco1, a mitochondrial pentatricopeptide repeat protein mutant in Arabidopsis thaliana, BMC Plant Biology, 12 May 2020