Der Großteil der mikrobiellen Biomasse der Erde befindet sich verborgen im Untergrund. Schätzungen zufolge kommen Mikroorganismen bis in einer Tiefe von bis zu fünf Kilometern unter der Kontinentaloberfläche vor. Sie können dort auch festes Gestein besiedeln. Da diese tiefe Biosphäre nur schwer zugänglich ist, wissen Forschende bisher nur wenig über die Zusammensetzung und Rolle dieser Mikroorganismen in biogeochemischen Kreisläufen. Ein Forschungsteam der Friedrich-Schiller-Universität Jena und ihres Exzellenzclusters »Balance of the Microverse« sowie weiterer Forschungsverbünde und -institute hat jetzt herausgefunden, dass Kalkstein als Archiv für die mikrobielle Besiedelung des Untergrunds dient.
„Wir haben Bohrkerne aus einer Tiefe bis zu 300 Metern aus dem Thüringer Becken untersucht, um Erkenntnisse über die Biomasse in festen Gesteinen und über den Stoffwechselstatus von im Fels lebenden Mikrobiomen zu erhalten“, sagt Dr. Carl-Eric Wegner vom Institut für Biodiversität der Uni Jena, der Erstautor der Studie. „Auf Basis bisheriger Forschungsergebnisse nahmen wir an, dass der hohe Kalziumanteil im Kalkstein die DNA von Mikroorganismen konservieren könnte, ähnlich wie es Zahnstein in Mumien oder Skeletten tut. Aufgrund der geringen Biomasse im Gestein mussten bestehende Methoden jedoch angepasst werden.“
Um die in den Gesteinsproben enthaltene DNA für eine sogenannte metagenomische Analyse zu gewinnen, haben die Forschenden Methoden aus der mikrobiellen Archäologie und der Paläogenomik angepasst. „Unser Ziel war es, die Erbinformationen von Mikroorganismen in den Steinen zu entschlüsseln und sowohl taxonomisch als auch funktionell einzuordnen“, erläutert Prof. Dr. Christina Warinner, Professorin für Microbiome Sciences der Uni Jena.
„Außerdem haben wir in drei Gesteinsproben genetische Informationen von vergangenen mikrobiellen Gemeinschaften – sogenannte Paleome – aufspüren können. Diese geben uns Aufschluss darüber, welche Stoffwechselleistungen eine Rolle spielten, als diese Mikroorganismen noch lebendig waren“, so Prof. Dr. Kirsten Küsel, Sprecherin des Exzellenzclusters »Balance of the Microverse« und Initiatorin der Studie.
Die Autorinnen und Autoren schlussfolgern, dass sich insbesondere die Untersuchung von Kalkstein anbietet, da dieser mit seinen Eigenschaften eine langfristige Erhaltung von Geninformationen begünstigt. „Die Bestimmung des Alters solcher im Gestein archivierter DNA ist der Schlüssel zur geomikrobiologischen Geschichte des Untergrunds“, fasst Küsel zusammen.
Friedrich Schiller University Jena
Originalpublikation:
Wegner, CE., Stahl, R., Velsko, I. et al. A glimpse of the paleome in endolithic microbial communities. Microbiome 11, 210 (2023). https://doi.org/10.1186/s40168-023-01647-2