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Alazami-Syndrom: Eine kleine Mutation führt zu schwerwiegenden Folgen

Neue Erkenntnisse verhelfen Wissenschaftlern der Universität Regensburg zum Verständnis des Alazami-Syndroms.
Neue Erkenntnisse verhelfen Wissenschaftlern der Universität Regensburg zum Verständnis des Alazami-Syndroms. Grafik: Dr. Daniele Hasler

Es hat eine Familie in Würzburg getroffen: Bei ihr ist das Alazami-Syndrom aufgetreten – eine schwerwiegende Krankheit, die sich unter anderem durch Kleinwüchsigkeit und Entwicklungsstörungen äußert. Schuld daran ist eine kleine Mutation im Gen LARP7. Dass dieses Gen für die seltene Krankheit verantwortlich ist, weiß man schon seit 2012. Seitdem sind etwa 20 Fälle der Krankheit weltweit bekannt geworden. Regensburger Biochemiker haben in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Utz Fischer und anderen Wissenschaftlern der Universität Würzburg sowie der Chinese Academy of Sciences, Shanghai (China) diesen Zusammenhang nun bestätigt. Sie haben das Gen LARP7 nun genauer unter die Lupe genommen, denn sie wollten wissen, wofür es eigentlich zuständig ist.

Dass das Gen LARP7 für die Transkription eine Rolle spielt, ist schon länger bekannt. Transkription bedeutet, dass die genetische Information der DNA in RNA umgeschrieben wird. „Dadurch werden die Gene erst handlungsfähig, denn aus der Information der RNA können dann die notwendigen Eiweißmoleküle entstehen“, erläutert der Regensburger Biochemiker Prof. Dr. Gunter Meister. Bei der Transkription sorgt der Mechanismus des Gens LARP7 für Zellvermehrung. „Das hat uns stutzig gemacht“, meint Dr. Daniele Hasler, ebenfalls Biochemiker an der Universität Regensburg, „denn bei den Patienten mit Alazami-Syndrom ist ja eher das Gegenteil der Fall: Sie sind kleinwüchsig.“ Deshalb beschäftigten sich die Wissenschaftler mit der weiteren Entwicklung der RNA. Denn mit der Transkription ist die RNA noch nicht fertig. Sie muss erst reifen. Das passiert, indem Teile aus der RNA entfernt werden. Der Grund: In einem langen Stück RNA sind zwar viele kleine Teile, die die genetische Information für das gewünschte Eiweißmolekül enthalten. Gleichzeitig beinhaltet es aber auch weitere Informationen, die für das spätere Einweißmolekül nicht notwendig sind. Diese werden deshalb entfernt. Überraschenderweise ist auch an diesem Vorgang das Gen LARP7 beteiligt. Um dies herauszufinden, haben die Wissenschaftler das Gen kurzerhand einfach ausgeschaltet. „Wir haben gesehen, dass mit einem kaputten LARP7-Gen die Reifung der RNA bestimmter Gene gestört ist. Dies war auch der Fall in den von der Alazami-Krankheit betroffenen Patienten und die veränderten Gene stehen im Zusammenhang mit der Entwicklung und Ausprägung von Kleinwüchsigkeit“, so Prof. Meister. Die RNA sieht ohne den Einfluss von LARP7 also nicht so aus, wie sie aussehen sollte. „Für uns ist damit klar, dass das Entfernen der unnötigen Information aus der RNA die Funktion von LARP7 ist und Mutationen zur Alazami-Erkrankung führen“, betont Dr. Hasler.

Heilungschancen gibt es bisher noch keine. „Aber genau deshalb ist es wichtig, dass wir dieses Gen noch genauer kennenlernen. Wir forschen weiter daran, denn wir wollen wissen, wieso diese kleine Veränderung ausreicht, um so schwerwiegende Folgen zu haben“, erklärt Dr. Daniele Hasler. Für die Biochemiker birgt die RNA und insbesondere das Gen LARP7 noch viele Rätsel. So gibt es Hinweise darauf, dass das Gen noch weitere Funktionen ausübt. „Wir wissen zum Beispiel, dass LARP7 während des Reifungsprozesses der RNA auch hilft, die richtige Struktur einzunehmen. RNA-Moleküle haben nämlich eine 3D-Struktur. Bei der räumlichen Anordnung kommt es auf die richtige Faltung an. Denn die Form ist entscheidend, dass die RNA-Moleküle eine bestimmte Funktion ausführen können“, betont Prof. Dr. Gunter Meister, „Das möchten wir noch besser verstehen“.

Universität Regensburg


Originalpublikation:

Hasler D, Meduri R, Bąk M, Lehmann G, Heizinger L, Wang X, Li Z-T, Sement FM, Bruckmann A, Dock-Bregeon A-C, et al. The Alazami Syndrome-associated protein LARP7 guides U6 small nuclear RNA modification and contributes to splicing robustness., Molecular Cell 2020.
DOI: 10.1016/j.molcel.2020.01.001

https://doi.org/10.1016/j.molcel.2020.01.001