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Blaukehlaras lernen durch Nachahmung fremder Interaktionen

Ein ungelernter Blaukehara (im Vordergrund) beobachtet die Interaktion zwischen einer Trainerin und einem Artgenossen im benachbarten Testraum.
Ein ungelerntes Tier (im Vordergrund) beobachtet die Interaktion zwischen einer Trainerin und einem Artgenossen im benachbarten Testraum. Der Artgenosse führt auf ein bestimmtes Handzeichen hin die Handlung „Drehen” aus. © Adrian Azcárate (audiovisual@loroparque.com)

Blaukehlaras lernen neue Verhaltensweisen durch Beobachtung ihrer Artgenossen. Schauen sie zu, wie andere Tiere auf bestimmte Handzeichen von Menschen reagieren, können sie diese Reaktion wiedergeben, wenn sie anschließend selbst durch ein Handkommando dazu aufgefordert werden. Tiere, die nicht beobachten konnten, lernte deutlich langsamer und weniger und reagierte ungenauer auf die spezifischen Handkommandos im Vergleich zu den beobachtenden Blaukehlaras. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Nachahmung aus dritter Perspektive nicht auf den Menschen beschränkt ist. Das Ergebnis lässt vermuten, dass Papageien Artgenossen als äquivalent zu sich selbst verstehen und dass sie möglicherweise in der Lage sind, die Perspektive Dritter einzunehmen.

Neben der Imitation durch Zweite, also dem Lernen durch direkte Demonstration ist bei Menschen auch das passive Lernen durch Beobachtung, also durch Imitation Dritter allgegenwärtig, z. B. bei der Nachahmung kultureller Praktiken. Diese beinhalten das originalgetreue Kopieren von Gesten, sogenannter intransitiver Handlungen (d.h. nicht objektbezogene, ziellose Bewegungen), was eine entscheidende Rolle in der kulturellen Evolution des Menschen spielt. Esha Haldar und Kolleg*innen aus der Forschungsgruppe „Vergleichende Kognitionsforschung” der Max-Planck-Forschungseinrichtung im Loro Parque auf Teneriffa und des Max-Planck-Instituts für biologische Intelligenz zeigen nun in einer neuen Studie zum ersten Mal Hinweise auf Imitation durch Dritte außerhalb des Menschen. Dazu untersuchten sie Blaukehlaras (Ara glaucogularis), eine vom Aussterben bedrohte Papageienart aus Bolivien.

Die Wissenschaftler*innen ließen untrainierte Blaukehlaras zusehen, wie ein zuvor trainiertes Tier auf verschiedene Gesten (Handkommandos) mit einer bestimmten intransitiven Handlung reagierte und, sofern sie richtig war, dafür mit Leckerbissen belohnt wurde. Beispielsweise war die richtige Reaktion auf einen erhobenen Zeigefinger, ein Bein zu heben. Andere Gesten brachten die Blaukehlaras dazu, sich um 360 Grad zu drehen, den Kopf zu schütteln, einen Laut von sich zu geben oder mit den Flügeln zu schlagen.

Unmittelbar danach wurden dem beobachtenden Tier das gleiche Handkommando gegeben, auch sie wurden bei einer korrekten Reaktion darauf belohnt. Die Wissenschaftler*innen testeten zudem eine andere Gruppe untrainierter Aras, die zuvor keine Gelegenheit zum Beobachten der Interaktion Dritter bekamen. Diese Gruppe lernte nicht nur deutlich langsamer und weniger, sie reagierte auch ungenauer auf die spezifischen Befehle. Die beobachtenden Tiere hingegen ahmten einige der Handlungen sogar spontan schon während des Beobachtens nach, noch bevor sie selbst die Gesten gezeigt bekamen oder Belohnungen erhielten.

Evolutionäre Implikationen dieser fortgeschrittenen sozialen Lernfähigkeit
„Die Ergebnisse sind bemerkenswert, weil sie zum ersten Mal zeigen, dass die Imitation aus dritter Perspektive bei einem nicht-menschlichen Tier existiert“, erklärt Esha Haldar, die Hauptautorin der Studie. „Menschen beginnen zwar schon von Geburt an mit dem Nachahmen, entwickeln die Fähigkeit zur Imitation aus dritter Perspektive jedoch erst im zweiten Lebensjahr – parallel zur Fähigkeit, die Perspektive anderer einzunehmen. Unsere Ergebnisse sind zwar kein direkter Beleg dafür, dass Aras diese Fähigkeit besitzen, sie deuten jedoch darauf hin,“ so Haldar.

Auswirkungen auf soziale und kulturelle Dynamiken
„Papageien sind ideale Modelle für die Erforschung von Imitation“, ergänzt Auguste von Bayern, leitende Autorin der Studie. „Blaukehlaras leben – wie die meisten Papageienarten – in komplexen sozialen Gruppen, deren Zusammensetzung sich häufig verändert. Die Imitation von Bewegungen und Gesten durch Beobachtung fremder Interaktionen könnte die Integration von Individuen in neu gebildete Gruppen erleichtern und generell den sozialen Zusammenhalt und die Bindung fördern.“

Max-Planck-Institut für Biologische Intelligenz


Originalpublikation:

Haldar, E., Sánchez, A.H., Tennie, C. et al. Third-party imitation is not restricted to humans. Sci Rep15, 30580 (2025). doi.org/10.1038/s41598-025-11665-9