Zellen ohne Membran
In ihrem Artikel zeigen sie, dass ein einfacher Wärmefluss durch dünne, wassergefüllte Poren eine Vielzahl von Molekülen mit unterschiedlichen chemischen und physikalischen Eigenschaften anhäufen kann. Dadurch können diese Moleküle auf engem Raum miteinander interagieren und reagieren, selbst wenn keine Zellmembran vorhanden ist. In dieser sehr einfachen Protozelle gibt es einen thermischen Gradienten, der die Funktionen einer Zellmembran übernimmt, aber noch keine physische Grenze zwischen der Reaktion und dem verdünnten Wasser.
„Unsere Untersuchungen zeigen, dass dieser einfache physikalische Mechanismus, der auf der frühen Erde sehr verbreitet gewesen ist, viele Funktionen übernehmen kann, für die normalerweise eine Zellmembran erforderlich wäre“, sagt der Leiter der Studie, Dieter Braun. Die Ergebnisse legen nahe, dass erhitzte Gesteinsporen die natürliche Umgebung für die Entstehung biologischer Zellen gewesen sein könnten.
Ursprung des Lebens im Labor simuliert
Wenn ein Temperaturgradient über eine dünne, wassergefüllte Pore gelegt wird, sammeln sich die meisten verdünnten Moleküle am Boden der Pore, auf der kalten Seite. Diese Umgebung hat das Team im Labor in speziell angefertigten Kammern simuliert. Sie bestehen aus einer dünnen Wasserschicht, die zwischen optisch transparenten Platten eingebettet ist.
Für das Experiment testeten die Forschenden, unter welchen Umständen ein grün fluoreszierendes sogenanntes Superfolder-Protein (sfGFP) produziert wird. Das Gemisch in den Kammern enthielt über 100 verschiedene Komponenten, von Aminosäuren und Nukleotiden – den Bausteinen von Proteinen und RNA – bis hin zu Ribosomen und Polymerasen – hochspezialisierte molekulare Maschinen, die in allen lebenden Organismen vorkommen.
„Bei zu starker Verdünnung wird die Reaktion inaktiv und kann das Markerprotein nicht produzieren“, so Braun. Nach der Inkubation in einer „Wärmekammer“ akkumulieren sich die Komponenten jedoch in ausreichender Menge, sodass die Reaktion in Gang kommt und sfGFP synthetisiert wird.
Neue Möglichkeiten für die Biotechnologie
„Während das Versuchsdesign derzeit durch die physikalischen Parameter der Kammer und den erreichbaren Temperaturunterschied eingeschränkt ist, wäre dies auf der frühen Erde kein Problem gewesen, wo die reichlich vorhandenen wassergefüllten Poren in allen Formen und Größen eine große Vielfalt an präbiotischen Reaktionsbedingungen geboten hätten“, sagt Alexander Floroni, Erstautor der Studie.
Die Ergebnisse werfen einen neuen Blick auf die Möglichkeit eines Stoffwechsels vor der Verkapselung in Membranen und die Entstehung zellulären Lebens. Darüber hinaus bieten sie der Biotechnologie neue Ansätze für die Herstellung synthetischer Lebewesen im Labor. „Bisher war die Schaffung einer künstlichen Zelle, die sich selbst durch die Membran hindurch ernährt und sich durch Zellteilung vermehrt, ein großes Hindernis“, erklärt Braun. „Unsere Forschung zeigt, wie wir diese Hürde in Zukunft umgehen könnten.“
Ludwig-Maximilians-Universität München
Originalpublikation:
Floroni, A., Yeh Martín, N., Matreux, T. et al. Membraneless protocell confined by a heat flow. Nat. Phys. (2025). doi.org/10.1038/s41567-025-02935-4