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Klimakonferenz in Glasgow: Wendepunkt für den Klimaschutz?

Analysebericht der COP26-Ergebnisse
Analysebericht der COP26-Ergebnisse des Wuppertal Instituts Wuppertal Institut

Die diesjährige UN-Klimakonferenz in Glasgow lieferte gemischte Ergebnisse. Während der Konferenz wurde präzisiert, welches Maß an Ehrgeiz erforderlich ist, und die Länder wurden aufgefordert, ihre Beiträge im nächsten Jahr weiter zu erhöhen. Außerdem wurden die detaillierten Regeln für die Umsetzung des Pariser Abkommens fertiggestellt. Die Klimazusagen und -maßnahmen der Vertragsparteien sind jedoch immer noch viel zu schwach. Zudem weigerten sich die Industrieländer beim Ausgleich von Klimawandel-bedingten Verlusten und Schäden nachzugeben, obwohl dies zu den wichtigsten Prioritäten der Entwicklungsländer gehört. Forschende des Wuppertal Instituts nahmen an der Konferenz teil und fassten nun die wichtigsten Verhandlungsergebnisse in einer Kurzanalyse zusammen. Der ausführliche Analysebericht erscheint Anfang 2022.

Vom 31. Oktober bis zum 13. November 2021 fand die 26. Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, kurz COP) der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) statt. Die Konferenz in Glasgow markierte eine symbolische Halbzeit, die genau zwischen der Verabschiedung des UNFCCC im Jahr 1992 und dem Jahr 2050 liegt, in dem nach Angaben des Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) weltweit Netto-CO2-Emissionen erreicht werden müssen. Nachdem die Welt 1992 beschlossen hatte, den Klimawandel zu bekämpfen, ging es anfangs in die falsche Richtung, denn die globalen Treibhausgas-Emissionen sind seitdem immer weiter gestiegen. Neben der Pariser Konferenz, die 2015 stattfand (COP21) und erstmals einen breiten Konsens der Staaten zur konsequenten Begrenzung der Erderwärmung und zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen brachte, sollte die Konferenz in Glasgow einen Wendepunkt markieren. Die britische Präsidentschaft der Konferenz drang stark darauf, dass mehr Ehrgeiz und Maßnahmen in den Ergebnissen der Konferenz notwendig seien.

Die Forschenden des Wuppertal Instituts haben die Klimaverhandlungen während der zweiwöchigen Konferenz genau beobachtet und legen nun eine erste Analyse der Konferenz und ihrer Ergebnisse unter dem Titel „Glasgow, ein Wendepunkt?“ vor. Ein detaillierter Analysebericht wird Anfang nächsten Jahres veröffentlicht.

Die wichtigsten Ergebnisse der COP26

„Der letztlich verabschiedete „Glasgow Climate Pact“ ist in vielerlei Hinsicht schwächer ausgefallen, als gewünscht, bietet aber dennoch eine starke Orientierung für das notwendige Maß an Ambition in diesem Jahrzehnt“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts. Die Abschlusserklärung der Konferenz, die von rund 200 Ländern unterstützt wird, unterstreicht die Feststellung des IPCC, dass die Auswirkungen des Klimawandels bei 1,5 Grad Celsius wesentlich geringer ausfallen werden als bei 2 Grad Celsius. Noch bemerkenswerter ist, dass die Erklärung zum ersten Mal eine Verbindung zwischen langfristigen und kurzfristigen Zielen herstellt. Sie erkennt an, dass laut IPCC eine gute Chance, die 1,5-Grad-Celsius-Grenze zu erreichen, eine Senkung der CO2-Emissionen um 45 Prozent unter das Niveau von 2010 bis 2030 und auf Nettonull bis 2050 erfordert. „Die Entscheidung von Glasgow stärkt daher die Vorgaben des Pariser Abkommens erheblich“, ergänzt Fischedick.

Neben dem formalen Prozess nutzte das Vereinigte Königreich die COP26 auch, um eine Reihe von sektoralen Klimaschutz-Zusagen zu koordinieren, die ein breites Spektrum abdecken, vom Kohleausstieg über die Begrenzung der Entwaldung und die Abkehr von Autos mit Verbrennungsmotoren bis hin zu finanziellen Fragen. „Diese Ankündigungen kennzeichnen eine große Dynamik und im Falle der Kohle vielleicht einen globalen Wendepunkt“, sagt Dr. Lukas Hermwille, Senior Researcher im Forschungsbereich Internationale Klimapolitik am Wuppertal Institut. Der Bericht des Wuppertal Instituts stellt dar, dass die Umsetzung von transformativen Klimamaßnahmen zwangsläufig sektoral ist, da sie eine grundlegende Umgestaltung der wichtigsten soziotechnischen Systeme erfordert, die die Grundlage der globalen Wirtschaft bilden, wie Energie-, Verkehrs- und Industrie- sowie Landwirtschafts- und Landnutzungssysteme. „Künftige COPs sollten daher den Schwung von Glasgow aufgreifen und dazu beitragen, dass diese Zusagen weiter gestärkt und tatsächlich umgesetzt werden“, empfiehlt Hermwille.

„Leider ist das kollektive Ambitionsniveau auch mit den neuen Ankündigungen von Glasgow immer noch viel zu schwach, um die Ziele des Pariser Abkommens tatsächlich zu erreichen“, betont Wolfgang Obergassel, Co-Leiter des Forschungsbereichs Internationale Klimapolitik am Wuppertal Institut. „Deshalb ist es sehr wichtig, dass der Klimapakt von Glasgow die Länder auffordert, bereits im kommenden Jahr stärkere Zusagen vorzulegen.“ Die Forschenden kommenden in ihrem Bericht zu dem Schluss, dass dies auch eine wesentliche Verschärfung der Richtlinien des Pariser Abkommens darstellt, das nur alle fünf Jahre die Vorlage neuer oder verstärkter nationalen Klimaschutzbeiträge – auch Nationally Determined Contributions, NDCs – verlangt. „Die Tatsache, dass sich mehrere Vertragsparteien gegen eine solche „Neuverhandlung“ des Pariser Abkommens ausgesprochen haben, zeigt jedoch deutlich, dass eine weitere Stärkung der Ambitionen nicht von allein erfolgen wird“, stellt Obergassel fest. „Die Durchsetzung einer schwächeren Formulierung in Bezug auf Kohle – schließlich heißt es „phase down“ statt „phase out“ für unverminderte Kohle – ganz am Ende der Konferenz unterstreicht dies. Es wird daher weiterhin politischer Druck auf allen Ebenen erforderlich sein, um die notwendigen Fortschritte zu erzielen.“

Weitere wichtige Ergebnisse sind die Fertigstellung des „Pariser Regelwerks“ und die Zusage der Industrieländer, die Anpassungsfinanzierung für die Entwicklungsländer zu verdoppeln. Negativ zu vermerken ist, dass die Konferenz nicht in der Lage war, die Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Bewältigung von Verlusten und Schäden (loss and damage), die durch den Klimawandel verursacht werden und an die man sich nicht anpassen kann, wie beispielsweise Verluste von Land auf Grund des Anstiegs des Meeresspiegels, wesentlich zu erhöhen.

Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH


 

Originalpublikation:

Bericht: Glasgow, ein Wendepunkt? Eine erste Bewertung der COP26 https://wupperinst.org/fa/redaktion/downloads/publications/COP26_First_Assessmen...