„Für unsere Studie haben wir gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus Norwegen mehr als 30.000 Stunden Echolotaufzeichnungen ausgewertet, die drei Krillfischereischiffe über sechs Jahre im Südlichen Ozean gesammelt haben“, sagt Dominik Bahlburg vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Mit einem Segmentierungsmodell und Künstlicher Intelligenz konnten die Forschenden Signale herausfiltern, die Wale, Pinguine und Robben auslösen, wenn sie unter den Fischereischiffen tauchen. „Schiffe und die Krillräuber stellen bei solchen Aufeinandertreffen den gleichen Krillschwärmen nach. So konnten wir die räumliche und zeitliche Dynamik dieser Konkurrenz systematisch untersuchen, um Orte und Zeiträume zu ermitteln, an denen beide Gruppen besonders intensiv miteinander interagieren.“
Dabei zeigten sich ausgeprägte saisonale Muster, die spezifisch für die verschiedenen Krillräuber waren. Beispielsweise traf die Fischerei im Sommer und Winter vor allem an den Südlichen Orkneyinseln sowie in Südgeorgien auf Pinguine und Pelzrobben und nur selten auf Wale. „Die Südlichen Orkneyinseln scheinen ein regelrechter Hotspot für das Aufeinandertreffen mit Pinguinen zu sein“, sagt Dominik Bahlburg. „Sie haben im Vergleich zur Antarktischen Halbinsel bisher weit weniger Aufmerksamkeit in der Debatte über die Auswirkungen der Krillfischerei erhalten und viele der dort betroffenen Kolonien werden momentan nicht regelmäßig überwacht.“ Das wäre aber von ökologischer Bedeutung, denn im Sommer treffen die Fischereischiffe hier auf Pinguine während ihrer Hauptbrutzeit, in unmittelbarer Nähe ihrer Brutkolonien. Das deutet zudem darauf hin, dass von der Fischerei freiwillig eingerichtete Sperrzonen an der Antarktischen Halbinsel das Aufeinandertreffen von Pinguinen und Schiffen, und damit die unmittelbare Konkurrenz um Krill, während der Brutzeit nicht wirklich wirksam reduziert, sondern vielmehr auf die Südlichen Orkneyinseln verlagert haben.
Ein weiterer Aspekt hat die Autoren überrascht: „Wir konnten zeigen, dass Fischerei und Pinguine sowie Pelzrobben im Winter genauso häufig wie im Sommer aufeinandertreffen.“ Da die Tiere zu dieser Zeit nicht an ihre Kolonien gebunden sind und sich oft weit verteilen, wurde es bisher als positiv bewertet, dass sich die Krillfischerei zunehmend auf den Winter ausgerichtet hat. „Dass die Tiere nun aber auch zu dieser Zeit so häufig mit den Schiffen aufeinandertreffen, verlangt möglicherweise eine Neubewertung dieser Entwicklung.“ Im Vergleich zu den Südlichen Orkneyinseln waren an der Antarktischen Halbinsel hingegen nur selten Robben und Pinguine in den Echolotdaten zu finden. Vor allem im Herbst konkurriert die Fischerei hier intensiv mit Walen um den Krill. Zu dieser Zeit fressen sich Wale ihre Fettreserven für ihre anschließenden Wanderungen zu ihren Brutgebieten Richtung Äquator an.
Zuverlässige Daten, um das Ökosystem des Antarktischen Ozeans besser zu schützen
„Bemerkenswerterweise waren diese Muster für Robben, Pinguine und Wale über einen Zeitraum von sechs Jahren recht stabil“, sagt Sebastian Menze vom Norwegian Institute of Marine Research. „Unsere Ergebnisse zeigen also, dass akustische Daten von Fischereischiffen und maschinelles Lernen eine zuverlässige Grundlage sein können, für schnelle und einfache Bewertungen der Interaktion der Fischerei mit dem Ökosystem.“ Sie bieten eine enorme zeitliche und räumliche Abdeckung, da die Schiffe fast ganzjährig an verschiedenen Orten im Südozean unterwegs sind. Zudem ist es besonders kosteneffektiv, die Daten zu erheben, da dies quasi als „Nebenprodukt“ der Fischerei erfolgen kann. Die in der Studie verwendeten Daten des größten Krillfischereiunternehmens (Aker Biomarine) sind sogar über eine öffentliche Datenplattform (HUBOcean) zugänglich.
Bisher wurden Echolotdaten aus der Krillfischerei nur sporadisch für wissenschaftliche Zwecke genutzt, etwa um die Biomasse von Krill zu schätzen. „Wir erweitern mit unserem Ansatz die Nutzungsmöglichkeiten für ökologische Fragestellungen und zeigen neue, kostengünstige Wege auf, wie Fischereischiffe aktiv zum Management der Krillfischerei beitragen können“, betont Bettina Meyer, Wissenschaftlerin am AWI und deutsche wissenschaftliche Repräsentantin in der Kommission für die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR). „Akustische Daten ermöglichen es, schnell ein erstes Bild zu zeichnen, wie sich Veränderungen im Fischereimanagement oder Flottenverhalten auf die Interaktionen mit dem antarktischen Ökosystem auswirken. Das ist besonders wichtig für Zeiträume oder Gebiete, die durch bestehende Forschungsprogramme nicht gut abgedeckt sind.“
Die Studie wurde vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung gefördert, um die gewonnenen Erkenntnisse effektiv in die Bemühungen von CCAMLR einzubringen, das Management der Krillfischerei zu verbessern. Solche Analysen können zudem in Zukunft dazu beitragen, die Wirksamkeit bestehender und zukünftiger Managementmaßnahmen zu bewerten und diese bei Bedarf zu optimieren.
(Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung)
Originalpublikation:
Bahlburg D., Menze S., Krafft B.A., Lowther A.D., Meyer B.: Mapping encounters between Antarctic krill fishing vessels and air-breathing krill predators using acoustic data from the fishery, Proceedings of the National Academy of Sciences